Twitter wurde Elon Musk in X umbenannt. Foto: AFP/STEFANI REYNOLDS

Der Kurznachrichtendienst Twitter, der nun X heißt, geht gegen Hassrede-Forscher vor. Die Hintergründe.

Das von Elon Musk in X umbenannte Twitter zieht vor Gericht gegen kritische Online-Forscher, die Hassrede und Falschinformationen im Netz aufdecken. Die X Corp. wirft der Organisation CCDH in der Klage vor, sie habe widerrechtlich auf Daten des Kurznachrichtendienstes zugegriffen. X sei durch die Berichte der Forscher Schaden entstanden, weil Werbekunden abgesprungen seien.

Für die eingereichte Klage suchte sich die X Corp. frühere Berichte des CCDH (Center for Countering Digital Hate) heraus, in denen es unter anderem über Falschinformationen zum Coronavirus und Klimawandel ging. Dem CCDH wird zum einen vorgeworfen, die Organisation habe dafür in Verletzung der Nutzungsregeln größere Mengen von Tweets abgerufen. Zum anderen habe sie unrechtmäßig auf Daten zugegriffen, die der Analysefirma Brandwatch zur Verfügung gestellt worden seien.

Was den Forschern konkret vorgeworfen wird

Mithilfe von Brandwatch können Unternehmen Online-Beiträge rund um ihre Marken nachverfolgen. X behauptet, das CCDH habe einen Kunden von Brandwatch dazu verleitet, der Organisation Zugangsdaten zu geben. Die Forscher hätten dies dann zur Recherche für ihre Berichte verwendet. Wer dieser Kunde gewesen sein soll, wisse X noch nicht.

Die in der Nacht zum Dienstag eingereichte Klageschrift hat einen ganz anderen Fokus als eine vorherige Klagedrohung von Musks Anwalt Alex Spiro an CCDH. In dem am Montag bekanntgewordenen Schreiben ging es um einen Bericht der Gruppe von Juni. Der Anwalt kritisierte das Fazit, dass Twitter bei 99 Prozent der Hassrede nichts unternehme, wenn sie von zahlenden Abo-Kunden komme. Er verwies darauf, dass die Basis dafür lediglich 100 an den Dienst gemeldete Tweets gewesen seien.

Vorwurf, Kritiker einschüchtern zu wollen

Die Anwältin des Zentrums nannte den Brief „lächerlich“ und warf der Firma vor, Kritiker einschüchtern zu wollen. Sie verwies darauf, dass einige der angeprangerten Tweets eindeutig rassistisch, antisemitisch und homophob gewesen seien und damit gegen die Regeln von Twitter verstießen. In den gemeldeten Posts hieß es unter anderem, die „schwarze Kultur“ habe mehr Schaden als der rassistische Geheimbund Ku-Klux-Klan angerichtet, oder dass „die jüdische Mafia“ alle ersetzen wolle. Vier Tage später seien die Tweets weiterhin verfügbar gewesen, betonte das CCDH.

Elon Musk hatte Twitter im Oktober 2022 für rund 44 Milliarden Dollar (rund 40 Mrd Euro) gekauft. Der Tech-Milliardär warf der vorherigen Twitter-Führung vor, rechte politische Ansichten unterdrückt zu haben, und versprach „absolute Redefreiheit“. Das schreckte einige große Werbekunden ab, die ein negatives Umfeld für ihre Marken befürchteten. Musk räumte jüngst ein, dass die Werbeeinnahmen nur halb so hoch seien wie früher. Das ist ein sehr reales Problem für die Plattform, da die Anzeigenerlöse traditionell ihre zentrale Geldquelle sind. Auf dem Dienst lasten zudem Kredite in Höhe von rund zwölf Milliarden Dollar, die Musk für den Kauf aufnahm. Auch bei der Umbenennung läuft es nicht rund: Die Firma musste am Montag ein leuchtendes X-Logo auf dem Dach der Zentrale wieder abmontieren, weil es ohne die nötigen Genehmigungen aufgestellt worden war.

Musk und Twitter-Chefin zu Hassrede

Musk und die von ihn berufene Twitter-Chefin Linda Yaccarino behaupten, die Verbreitung von Hassrede bei dem Dienst sei stark gesunken. Sie verweisen darauf, dass „99,99 Prozent“ der Nutzern angezeigten Beiträge „gesund“ seien. Musk erklärte die Vorgehensweise: Alles, was legal ist, darf behauptet werden - aber die Verbreitung einiger Aussagen kann eingeschränkt werden. Zugleich kappte Musk den früher existierenden Zugang unabhängiger Forscher zu Twitter-Daten, so dass seine Behauptungen nicht mehr überprüft werden können.

In der Klage behauptete X nun, das CCDH wolle nicht Hassrede bekämpfen, sondern aus Online-Medien Ansichten verbannen, mit denen es nicht einverstanden sei. Dabei gehe es um Themen wie unter anderem Klimawandel und Corona-Impfstoffe. Musk selbst hatte Corona-Risiken heruntergespielt und Impfskeptikern eine Plattform gegeben. Er stellte in den vergangenen Monaten auch wiederholt rechte politische Ansichten zur Schau und warf etwa US-Medien vor, „rassistisch“ gegenüber Weißen zu sein.