Gerhard Sohst testet die Desinfektionsstationen am Eingang der Neckartalwerkstätten. Foto: Mathias Kuhn

Seit 18. März sind die Werktalstätten geschlossen. Jetzt laufen die Vorbereitungen für die Wiederaufnahme des Werkstattbetriebs auf Hochtouren. Allerdings sind hohe Hürden zu bewältigen.

Hedelfingen - Auch für viele Be schäftigte der Werkstätten für Behinderte ist wegen der Coronakrise der geregelte Tagesablauf weggebrochen. Um sie zu schützen, hat die Landesregierung Mitte März ein Betretungsverbot für ihre Einrichtungen erlassen. Jetzt verkündete Sozialminister Manne Lucha, dass dies gelockert werde: „Wir wollen den Beschäftigten in den Werkstätten schrittweise und behutsam wieder die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen.“ Die Regelung gilt seit Montag. Doch so einfach ist die Neuaufnahme des gewohnten Betriebs nicht.

„Die Wiedereröffnung ist an etliche Voraussetzungen geknüpft, die nicht von heute auf morgen zu erfüllen sind“, sagt Gerhard Sohst, der Leiter der Neckartalwerkstätten in der Hafenbahnstraße. In den Hedelfinger Caritas-Werkstätten sind 345 behinderte Menschen beschäftigt, werden dort gefördert und weitergebildet. Zur Eindämmung der Infektion durften sie seit 18. März die gewohnten Arbeitsräume nicht mehr betreten und verbringen seither ihren Alltag in ihren Wohnheimen oder leben bei ihren Eltern.

„Das Betretungsverbot besteht auch weiterhin. Ausnahmen sind laut der neuen Verordnung nur gestattet, sofern die Einrichtungen fünf Punkte erfüllen“, so Sohst. In einem ersten Schritt darf nur maximal ein Viertel der Arbeitsplätze besetzt werden. Zweite Voraussetzung: Die Beschäftigten wollen die Arbeit freiwillig aufnehmen. Gearbeitet werden darf nur in Kleingruppen von maximal sechs Behinderten. Die Abstandsregeln, die in allen Werkstätten gelten, müssen eingehalten werden. Zudem sollten die Kleingruppen getrennt nach Wohngruppen und Wohnheimen oder nach zuhause-wohnenden Menschen mit Behinderung zusammengestellt werden. Zudem müssen die Werkstätten ein Infektionsschutzkonzept für Fahrdienste und den Betrieb der Werkstatt und Förderstätte vorlegen.

„Direkt nach der Bekanntgabe der Verordnung am vergangenen Donnerstag haben wir für uns einen 19 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog aufgesetzt und uns an die Umsetzung gemacht“, sagt Sohst. Er und sein Team arbeiteten mit Hochdruck – teilweise auch über das verlängerte Wochenende – an der Realisierung. An einen Neustart am 4. Mai war dennoch nicht zu denken. Stück für Stück wird nun der Hygieneplan umgesetzt, Desinfektionsspender werden installiert, Spuckschutzwände in der Kantine eingerichtet und Tische sowie Arbeitsplätze gemäß der Abstandsregeln aufgestellt.

Zeitgleich muss für jeden Beschäftigten das Risiko eingeschätzt werden. Die Einschätzung beinhaltet vier Parameter: Ob Vorerkrankungen oder chronische Krankheiten vorliegen, ob die Menschen mit Behinderung die Hygiene- und Abstandsregeln einhalten können und ob sie die Arbeit oder den Aufenthalt mit Masken tolerieren werden. Nach dieser Risikoabschätzung folgt die Zusammensetzung der Arbeitsgruppen. „25 Prozent unserer Belegschaft bedeutet theoretisch 86 Beschäftigte dürften im ersten Schritt wieder zu uns kommen.“ Sohst geht aber zunächst nur von etwa 50 Beschäftigten aus. Vermutlich werden dies zunächst die sogenannten Selbstfahrer sein. Denn die Infektionsschutzregeln beim Transport mit Klein- oder Rollibussen seien schwierig einzuhalten. Statt sechs Beschäftigte in einem Bus dürften höchstens zwei oder drei und natürlich keine zwei Rollifahrer nebeneinander transportiert werden. In corona-freien Zeiten hatten die Malteser bereits zwei Dutzend Touren zu bewältigen. Mehr gehe kaum, zumal alle Fahrzeuge nach jeder Fahrt desinfiziert werden müssen.

„Wenn wir alle 19 Punkte erfüllt und dies in einem Wiedereinstiegskonzept festgeschrieben haben, legen wir dieses der Stadt Stuttgart als unserem Träger vor“, sagt Sohst. Er bittet um Verständnis, dass dieses Prozedere Zeit beanspruche, zumal die Betreuer und Mitarbeiter der Verwaltung – vom Koch bis zur Sekretärin – zurzeit auch noch in der Werkstatt aushelfen. „Wir haben als Zulieferer und Dienstleister unsere Aufträge einzuhalten“, sagt Sohst.

Auf einen Termin für die Wiederaufnahme des Werkstattbetriebs für das erlaubte, erste Viertel der behinderten Menschen wollen die Neckartalwerkstätten-Verantwortlichen sich noch nicht festlegen. „Wir setzen alles daran, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnellstmöglich ihren gewohnten Alltag und ihre Beschäftigung erhalten,“ verspricht Sohst. „Aber der Gesundheitsschutz muss im Vordergrund stehen.“