Die Wanderfalken sind zurück. Falco und Perenelle ziehen im Schwabenlandtower vier Küken groß. Dabei werden sie rund um die Uhr gefilmt.
Fellbach - A ls seltener Vogel hat man selten Privatsphäre. Falco und Perenelle sind bestes Beispiel dafür: Rund um die Uhr wird das Wanderfalkenpaar per Videokamera überwacht, mehrere hundert Besucher täglich schauen ihm dabei zu, was es in den eigenen vier Wänden so treibt. Kein Wunder, bewohnen die beiden doch das wohl ungewöhnlichste Penthouse in der Region – in gut 100 Metern Höhe im Fellbacher Schwabenlandtower SLT 107 hat die Nabu-Ortsgruppe eigens eine mit allen technischen Raffinessen ausgestattete Nestbox angebracht.
Offenbar gefällt den Vögeln das Appartement in exponierter Lage gut. Sie haben es jedenfalls dem Alternativangebot in der Ringstraße vorgezogen – dorthin war das Falkenpaar im vergangenen Jahr kurzfristig umgezogen. „Aus den vier Eiern ist damals nur ein Küken geschlüpft“, berichtet Friedemann Tewald vom Nabu Fellbach. Im halb fertigen Schwabenlandtower brüten die Wanderfalken nun schon zum dritten Mal: 2018 tauchten sie dort erstmals auf und gleich der erste Brutversuch der geschützten Vögel war mit zwei Jungtieren erfolgreich. 2019 schlüpften gar vier Küken.
Hohe Sterblichkeit der Jungvögel
„Das Pärchen ist 2021 voll im Zeitplan“, sagt Tewald. Mitte Februar war Einzug, Ende Februar legte das Weibchen das erste Ei. Es folgten noch drei weitere, die abwechselnd von Falco und Perenelle bebrütet wurden. Am vergangenen Freitag ist nun auch das vierte Küken geschlüpft „und allen geht es gut“. Die Elternvögel werden nun ordentlich gefordert, denn die vier immer hungrigen Schnäbel wollen mehrmals täglich gestopft werden. „Läuft alles wie geplant, werden die Jungvögel Mitte Mai mit Flugübungen beginnen“, berichtet Tewald. Doch bevor sie in die Welt hinausfliegen, sollen sie noch beringt werden, um sie später ausfindig machen zu können. Was aus den Jungtieren der Vorjahre geworden ist, wissen die Vogelbeobachter des Nabu indes nicht. Die Falken müssten nämlich das elterliche Revier verlassen und sich in einem Umkreis von 50 bis 100 Kilometern ein neues Revier und einen Partner suchen, erläutert Tewald. Viele schaffen das nicht: „Auch wenn sich der Bestand erholt, ist die Sterblichkeit der Jungvögel im urbanen Gelände sehr hoch.“
Bis Ende Mai Einblick ins Familienleben
Dank der beiden in der Nestbox installierten Webcams sind bis Ende Mai Einblicke in das Familienleben der Wanderfalken möglich. Sogar nachts wird mithilfe von Infrarottechnik gefilmt. Das Interesse an den Live-Bildern ist groß, berichtet Tewald. „Die Zahlen in diesem Jahr haben uns schon überrascht.“ Am 8. April zum Beispiel, unmittelbar vor dem Schlüpfen des letzten Kükens, wurden über 1200 Besuche mit 25 000 Klicks registriert. Er vermutet: „In den Jahren 2020 und 2021 ist das Verfolgen unserer Falkenfamilie sicher eine willkommene Abwechslung zum Corona-Alltag.“ Die wachsende Aufmerksamkeit kann Tewald nachvollziehen: „Wanderfalken sind schöne Vögel mit einer einzigartigen Jagdtechnik. Aus großer Höhe stürzen sie sich in die Tiefe und schlagen ihre Beute im Flug. Dabei kann der Vogel eine Geschwindigkeit von über 300 Kilometer pro Stunde erreichen. Das macht ihnen keiner nach.“
Wann der Schwabenlandtower, der mit 34 Etagen das höchste Wohngebäude in Baden-Württemberg werden soll, jemals fertig gestellt wird, steht in den Sternen. Die Arbeiten am Rohbau ruhen weiterhin. Falco und Perenelle müssten aber selbst dann keinen Rauswurf befürchten. „Wir haben bereits einen neuen Kasten angeschafft, der sehr witterungsbeständig ist und dauerhaft auf den Turm bleiben kann“, berichtet Tewald. „Die Aufstellung ist so gewählt, dass weder die Falken, noch die Bewohner gestört werden.“ Für die Tiere sei der neue Standort „eine Frage der Gewöhnung“. „Wir gehen aber davon aus, dass sie den Tower auch nach Fertigstellung bewohnen werden.“
Wer sich für das Geschehen im Nistkasten interessiert, findet hier eine Menge Infos: https://falcommunity.de