Äste und Gestrüpp werden von der Hecke entfernt und mit einer Schubkarre abtransportiert. Foto: Kuhn

Schwerstarbeit für das Gartenteam der Neckartalwerkstätten: Sie schneiden die Wandelwege und Querverbindungen frei und machen die Treppen wieder begehbar.

Wangen - Gestern Morgen gegen 7.45 Uhr: Die Treppen des schmalen Verbindungsweges zwischen dem Wangener Waldheim und der Lehenwaldstaffel sind bemoost und voll Laub, Farne überwuchern einige Treppenstufen, von Gärten links und rechts des Weges hängen Äste in den Weg, Buchsbäume strecken „ihren Bauch“ über die Treppe und Rosen ranken in zwei Meter Höhe über den Weg. Romantiker erinnert die zugewucherte Gasse an Dornröschen, Spaziergänger und Gartenbesitzer wünschen sich einen begehbaren Weg. Darum kümmert sich das Gartenteam der Neckartalwerkstätten. „Im Auftrag der Stadt Stuttgart schneiden wir seit drei Jahren Wandelwege, Treppen und Gässchen auf der Wangener Höhe frei“, erzählt Annerose Hildebrand. Anfang August, als die Vegetation üppig gewachsen war, begannen Andreas, Rosalie, Valerie und ihre Leiterin Annerose Hildebrand mit dem Großputz im grünen Paradies überm Neckartal. Da das Gartenteam auch noch für Unternehmen in der Innenstadt und für Privatpersonen Anlagen und Gärten auf Vordermann bringt, zieht sich das Großreinemachen der Wangener Wege bis in den Herbst.

„Es macht Spaß, hier im Grünen zu sein und die Natur mit allen Sinnen zu erleben“, sagt Valerie. Zu Beginn bekommt er die Natur allerdings akustisch nicht mit. Mit Ohrhörern auf dem Kopf „rasiert“ er mit dem Freischneider Pflanzen an den Hängen ab. Farne, Buschreste und Gräser fliegen auf die Treppenstufen, Boden und Mauern werden wieder sichtbar. „Wenn wir hier nicht nach dem Rechten schauen, würden die Mauern schneller zerfallen“, sagt Hildebrand. Unter einem Buchsbaum, der durch den Zünsler geschädigt ist, sind Erosionsspuren zu sehen.

Das Freischneiden trägt zum Erhalt der kulturellen Kleinode bei. Denn die Wangener Höhe ist eine Art Freilichtmuseum und das Wangener Wandelwegenetz ist ein zumindest in Stuttgart einmaliges, historisches Zeugnis. „Gerade in den Corona-Zeiten entdecken viele Stuttgarter ihre Umgebung neu und erkunden die Wandelwege“, sagt Hildebrand. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Wanderer die Einstiege finden und die schmalen und oft steilen Naturgässchen auch sicher begehen können. Die Stuttgarter Gemeinderäte haben deswegen einen Fonds bereitgestellt, der den jährlichen Großputz finanziert.

Für Andreas, Valerie, Rosalie und ihre Chefin ist es oft eine schweißtreibende Schwerstarbeit. Größere Maschinen können nicht zum Einsatz kommen. Muskelkraft ist gefordert. Mit einer an einem Stil befestigten Säge kürzt Andreas einen in Kopfhöhe über den Weg hängenden, dicken Rosenstrang, schneidet Äste ab und zieht mithilfe von Hildebrand das Gestrüpp auf den Boden. Mit dem Rechen wird das Grün aufgehäuft und mit den Händen – geschützt durch Handschuhe – in Säcke gesteckt oder wie bei der Heuernte mit einer Heugabel über mehrere Stufen mühsam zum Waldheim getragen und dort auf einen Anhänger geladen.

Rosalie hat in der Zwischenzeit einen Spaten in die Hand genommen. Mit ihm befreit sie die Stufen von Gras und Moos. „Wenn es geregnet hat, besteht hier sonst Rutschgefahr“, sagt die Mitarbeiterin der Neckartalwerkstätten. Die Resonanz auf die Putzaktion ist durchweg positiv. „Toll, dass die Stadt die Wege säubern lässt““, sagt ein Wangener, dessen Garten direkt ans freigeschnittene Wegchen grenzt. „Auch Spaziergänger bedanken sich bei uns und geben uns Anregungen“, sagt Hildebrand. So wünschen sie sich, dass die Infotafeln über die Wandelwege und die Hinweisschilder erneuert und das Faltblatt nochmals aufgelegt werden.

Nach drei Sunden harter Arbeit haben die Vier den rund 400 Meter langen Verbindungsweg von Pflanzen befreit, die Stufen sind wieder sichtbar. Den Anhänger voll Grünschnitt müssen sie noch zur Kompostanlage fahren. Nach einer kurzen Vesperpause geht es dann zu einer Privatperson in Untertürkheim. „Deren Garten pflegen und die üppige Vegetation stutzen“, sagt Hildebrand. Sie freue sich aber auf den nächsten Einsatz auf der Wangener Höhe. Ärgerlich sei allerdings, dass immer wieder Zeitgenossen ihren Wochenendmüll – wie im Gewann Eberschein oberhalb des Kodak-Areals – auf den Wegen liegen lassen „und wir den oft ekligen Abfall wegräumen müssen.“