Meral Aksener von der rechtskonservativen IYI-Parteiagitiert gegen Flüchtlinge. Foto: dpa/--

Einen Monat vor den Wahlen in der Türkei macht die oppositionelle IYI-Partei Stimmung gegen Migranten, und Präsident Erdogan greift das Thema auf.

Syrer strömen über die Grenze ins Land, während Türken beklagen, sie fühlten sich wie Bürger zweiter Klasse - doch Präsident Recep Tayyip Erdogan heißt die Flüchtlinge willkommen: Einen Monat vor den Wahlen in der Türkei agitiert die oppositionelle IYI-Partei in einem Wahlkampfvideo mit dem Titel „Ungebetene Gäste“ gegen Migranten. Der Film schneidet Äußerungen Erdogans zum Flüchtlingsthema zusammen und beschwört „eine löchrige Grenze“ und eine „ständig wachsende Gefahr“ durch angeblich gewalttätige Ausländer.

Angst vor Überfremdung wird geschürt

Die rechtskonservative IYI-Partei der früheren Innenministerin Meral Aksener gehört zu einem Bündnis aus sechs Oppositionsparteien, das bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. Mai die 20-jährige Herrschaft von Erdogan und seiner Partei AKP beenden will. Bisher standen im Wahlkampf das Versagen der Regierung nach der Erdbebenkatastrophe von Februar und die schlechte Wirtschaftslage mit hoher Inflation und Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt. Jetzt will die Opposition, die in Umfragen in Führung liegt, den Präsidenten mit dem Flüchtlingsthema unter Druck setzen.

Die Türkei hat 3,6 Millionen Syrer und hunderttausende weitere Migranten aus Afghanistan und anderen Ländern aufgenommen, mehr als jedes andere Land in der Welt. Kemal Kilicdaroglu, Erdogans Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl, hatte den wachsenden Unmut der Türken darüber früh als Thema entdeckt. Schon 2021 kündigte er an, er werde nach einer Regierungsübernahme die Syrer aus der Türkei nach Hause schicken. Damit traf er einen Nerv. Nach Umfragen wollen mehr als 90 Prozent der Türken, dass die Syrer ihr Land verlassen.

Erdogan klopft an bei Assad

Erdogan griff Kilicdaroglus Forderung auf, in Gesprächen mit der Führung in Damaskus eine Rückkehr der Syrer vorzubereiten. Der Präsident, der jahrelang jeden Kontakt mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad ablehnte, bemüht sich jetzt um ein Treffen. Aber Assad weist Erdogan zurück, er will ihm nicht im Wahlkampf helfen.

Die Opposition wirft Erdogan vor, mit seiner „Politik der offenen Tür“ zu viele Syrer ins Land gelassen zu haben, und facht Überfremdungsängste an. AKP wie Opposition wollen die türkischen Grenzen besser sichern, um Zuwanderung zu verhindern. Die Oppositionsallianz kündigt darüber hinaus an, sie werde nach einer Regierungsübernahme den Flüchtlingspakt mit der EU aus dem Jahr 2016 „überprüfen“. Die neue Regierung werde es nicht zulassen, dass die Türkei in der Flüchtlingspolitik als „Pufferstaat“ missbraucht werde.

Nur die pro-kurdische Grünen-Links-Partei, die nicht zum Sechser-Bündnis gehört, aber Kilicdaroglu unterstützt, wendet sich in ihrem Wahlprogramm dagegen, Menschenrechtsfragen wie das Flüchtlingsthema in den Beziehungen zur EU zur Verhandlungsmasse zu machen. Bei einem Machtwechsel in Ankara im Mai müsste sich Europa auf eine härtere Haltung der Türkei in dieser Frage einstellen. Präsidentschaftskandidat Kilicdaroglu sagte in einem Interview mit Euronews, er werde beim Flüchtlingspakt dem Motto „Türkei zuerst“ folgen.