Fast drei Jahre saßen Christian Riethmüller (li.) und Claus Vogt gemeinsam im Präsidium des VfB Stuttgart. Foto: Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Christian Riethmüller ist als Präsidiums- und Aufsichtsratsmitglied beim VfB Stuttgart zurückgetreten. Nun erklärt er seinen Schritt – und spart nicht mit Kritik am Präsidenten Claus Vogt.

Der Schritt kam überraschend – trotz der jüngsten Forderungen der Fans aus der Cannstatter Kurve. Statt wie geplant auf der Mitgliederversammlung Ende Juli die Vertrauensfrage zu stellen, ist Christian Riethmüller am Mittwoch mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Präsidiumsmitglied des VfB Stuttgart zurückgetreten. Auch ist er nicht mehr Mitglied des Aufsichtsrats der VfB AG.

Was ihn dazu bewogen hat, erklärte der 49-Jährige in einem ausführlichen Statement. Ausschlaggebend sei für ihn „weniger die Rücktrittsforderung der Cannstatter Kurve gegen das gesamte Präsidium“ gewesen, schreibt der Vorsitzende der Geschäftsführung des Buchhändlers Osiander, „sondern vielmehr die Art der Zusammenarbeit mit dem Präsidenten und Teilen des Vereinsbeirates in den vergangenen zwei Jahren“.

Zuletzt gab es vor allem Streitigkeiten um die Rolle des Vereinspräsidiums beim Einstieg des Investors Porsche. Wie vom Autobauer gefordert, hatten die drei Clubvertreter wie alle anderen Aufsichtsratsmitglieder zugesagt, dass Vogt den Vorsitz im Kontrollgremium abgibt. Vogt selbst wollte den Schritt dann aber nicht mehr vollziehen und wurde stattdessen als Aufsichtsratschef abgewählt. Die Cannstatter Kurve forderte daraufhin den Rücktritt aller drei Präsidiumsmitglieder. Neben Vogt und Riethmüller ist das noch Rainer Adrion.

Riethmüller sagt zum Thema Aufsichtsrat und Vogt nun: „Wir brauchen eine professionelle Führung und Kontrolle im Aufsichtsrat, die sich nicht ausschließlich auf den persönlichen Machterhalt konzentriert.“ Den Clubchef kritisiert er aber auch ansonsten massiv.

Dank an Rainer Adrion

Noch in dessen Auseinandersetzung mit Ex-VfB-AG-Chef Thomas Hitzlsperger habe er Vogt unterstützt, erinnert sich Riethmüller – und ergänzt: „Erst nach meiner Wahl ins Präsidium im Sommer 2021 musste ich feststellen, dass Vieles von dem, was Hitz am Präsidenten kritisiert hatte, leider der Wahrheit entsprach.“ Seine Freude am Amt beim VfB sei auch weiterhin „durch interne Streitigkeiten und mangelnde Führung in Präsidium und Vereinsbeirat immer mehr in den Hintergrund gedrängt“ worden.

In den Führungsgremien des VfB e. V. gehe es mehr darum, fährt Riethmüller fort, „kritische Gremienmitglieder vor offener Gruppe massiv anzugehen, als nach Lösungen für ein gemeinsames Miteinander zu suchen“. Eine Schlichtung im Präsidium sei erfolglos geblieben, ebenso der Einsatz einer Moderatorin im Vereinsbeirat. „In zwei katastrophalen, vom Präsidenten initiierten Sitzungen in den letzten sechs Monaten wurden wieder einzelne kritische Personen vor den versammelten e. V.-Gremien massiv attackiert“, erklärt der 49-Jährige – der aber auch Fehler einräumt.

Zuletzt wurde er dafür kritisiert, dass er nach eigener Aussage einer Initiative behilflich war, die zwar Claus Vogt zum Rücktritt aufforderte, Adrion und Riethmüller aber im Amt halten wollte. „Das war falsch“, sagt Riethmüller, bestreitet aber, hinter einem früheren Blogeintrag zu stehen, der ebenfalls Vogt scharf kritisierte. Auch müsse er einsehen, dass auch er es versäumt habe, die Mitglieder über den geplanten Wechsel an der Spitze des AG-Aufsichtsrats zu informieren.

Der Präsident und eine Mehrheit im Vereinsbeirat könnten beim VfB „herrschen“, kritisiert Riethmüller und fordert ein „Aufbrechen der Zirkelbezüge“. Was damit gemeint ist: Aktuell schlägt der Vereinsbeirat die Kandidaten für die Präsidiumsämter vor. Er selbst wolle nun durch seinen Rücktritt die Möglichkeit schaffen, dass schon Ende Juli eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gewählt wird.

Wie es mit Claus Vogt weiter geht, ist offen. Seit seinem Rundumschlag in einem „Kicker“-Interview, in dem er zahlreiche Mitstreiter und Partner des VfB massiv anging, ist von ihm nichts mehr zu hören. Auch eine Anfrage unserer Redaktion blieb unbeantwortet. Christian Riethmüller lag seit vielen Monaten im Clinch mit dem Clubchef, sieht aber nicht nur seine Auseinandersetzung mit Vogt als Grund für die Verhältnisse innerhalb der Gremien.

Harsche Kritik an Claus Vogt

„Wenn die Zusammenarbeit mit dem Präsidenten aus menschlichen und fachlichen Gründen nicht funktioniert, fragt man sich, woran das liegt“, erklärt er, „wenn man dann sieht, dass bis auf fünf Personen im Vereinsbeirat fast ausnahmslos bereits zum zweiten Mal fast alle Vorstands-, Aufsichtsrats-, Präsidiums- und Vereinsbeiratsmitglieder entweder zurückgetreten sind, sich kritisch über den Präsidenten geäußert haben, ihm das Vertrauen entzogen haben oder von seiner Seite gewichen sind, zeigt das die Wurzel des Übels.“

Rainer Adrion, der neben Präsident Vogt im Präsidium verbleibt, dankt Riethmüller dagegen ausdrücklich für eine „kritisch-konstruktive“ Zusammenarbeit. Ihm wünsche er weiterhin das Vertrauen der Mitglieder. Auch die Vereinsbeiräte Bernadette Martini und Werner Gass bedachte er bei seinem Dank. Er selbst gehe nun „in der Gewissheit, viel Einsatz, der mich an den Rand meiner Kräfte gebracht hat, geleistet, und manche Fehler gemacht zu haben, aus denen ich hoffentlich lernen werde“. Von Sommer 2021 an war er Präsidiumsmitglied des VfB gewesen.