Die von Aborigines im späten 19. Jahrhundert erbaute Sacred Heart Church in Beagle Bay im australischen Bistum Broome. Foto: Imago/Pond5 Images

Zuletzt hat auch der Vatikan gegen den früheren australischen Bischof Christopher Saunders ermittelt. Er soll indigene Jugendliche sexuell missbraucht haben. Jetzt wurde der Geistliche festgenommen. Schon seit längerem wird die australische Kirche von Missbrauchsskandalen erschüttert. 

Die katholische Kirche kommt nicht zu Ruhe. Während in Deutschland die Bischöfe bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in Augsburg den Reformprozess Synodaler Weg gegen den Widerstand des Papstes zu retten versuchen, ist am anderen Ende des Globus Land unter. Im Rahmen der seit Jahren andauernden Missbrauchsermittlungen gegen den früheren australischen Bischof Christopher Saunders hat die Polizei den hohen Geistlichen jetzt festgenommen.

Der 74-Jährige sei am Mittwoch (21. Februar) aus seinem Haus im Bundesstaat Western Australia abgeführt worden, berichtet die australische Ausgabe des „Guardian“ am Donnerstag (22. Februar) unter Berufung auf die Polizei.

Missbrauchsvorwürfe gegen Ex-Bischof Saunders

Gegen Saunders wurde Anklage in verschiedenen Punkten erhoben, darunter „sexuelle Penetration ohne Einwilligung in zwei Fällen, 14 Fälle von rechtswidriger und unanständiger Körperverletzung und drei Fälle von unanständigem Umgang mit einem Kind im Alter von 16 bis 18 Jahren als Autoritätsperson“, wie die Behörden mitteilen.

Die Polizei hatte bereits 2018 und 2020 gegen Saunders ermittelt, der zu dieser Zeit noch Bischof von Broome war, einer Diözese im Outback im Nordwesten Australiens. Aus Mangel an Beweisen erhob die Staatsanwaltschaft damals jedoch keine Anklage. Der Vatikan leitete daraufhin eine eigene interne Ermittlung ein.

Das dünn besiedelte Bistum Broome, das Saunders bis zu seinem Rücktritt im Jahr 2021 leitete, umfasst 773 000 Quadratkilometer und ist damit mehr als doppelt so groß wie Deutschland. Rund 10 000 der rund 50 000 Menschen im Bistum sind Katholiken. In der Region leben viele Ureinwohner, für deren Rechte sich der emeritierte Bischof in der Vergangenheit öffentlichkeitswirksam einsetzte.

Vatikan nennt Saunders einen „Triebtäter“

Im vergangenen September übermittelte der Vatikan der australischen Polizei einen 200 Seiten langen Bericht, in dem es heißt, dass Saunders wahrscheinlich vier sexueller Übergriffe auf indigene Jugendliche schuldig sei und möglicherweise weitere 687 Jugendliche und Männer umworben haben soll. Die Vorwürfe beziehen sich auf das Jahr 2008 und die Folgezeit. Der 73-Jährige wird von den kirchlichen Ermittlern ungewöhnlich direkt als „Triebtäter“ bezeichnet.

Nach der Priesterweihe war Saunders seit den 1970er-Jahren zunächst in Missionsstationen in Outback-Regionen tätig. 1995 wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Broome ernannt. Im Zuge der Missbrauchsvorwürfe ließ er dieses Amt 2020 zunächst ruhen. Im August 2021 nahm Papst Franziskus sein Rücktrittsgesuch an. Die Anschuldigungen wies der Geistliche stets zurück.

Die Australische Bischofskonferenz versprach, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Die Vorwürfe seien „sehr schwerwiegend und zutiefst beunruhigend“ heißt es in einer Mitteilung. Ein Antrag des Geistlichen auf Freilassung auf Kaution sei abgelehnt worden, teilte die Polizei mit. Saunders sollte noch am Donnerstag in Broome vor Gericht erscheinen.

Missbrauchsskandal in australischer Kirche

Australiens katholische Kirche wird seit bereits seit einigen Jahren von Missbrauchsskandalen erschüttert. Eine Kommission kam in einem Zwischenbericht zu dem Ergebnis, dass zwischen 1950 und 2010 sieben Prozent aller Geistlichen Kinder sexuell missbraucht haben.

Mit dem früheren Erzbischof von Melbourne, Kardinal George Pell (1941-2023) stand 2017 der bislang höchste Würdenträger der katholischen Kirche wegen sexuellen Missbrauchs in Australien vor Gericht. Pell wurde zur Last gelegt, in seiner Amtszeit als Erzbischof in Melbourne (1996-2001) Missbrauchsfälle vertuscht und persönlich mehrere Jungen sexuell belästigt zu haben. 2008 warfen ihm mehrere Opfer sexuellen Missbrauchs vor, ihre Fälle unter den Teppich gekehrt zu haben. 2019 wurde der Geistlich zu sechs Jahren Haft verurteilt.

2020 hob der High Court of Australia die Urteile der vorangegangenen Instanzen auf und sprach Pell nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten von den Vorwürfen frei. George Pell starb am 10. Januar 2023 in Rom im Alter von 81 Jahren.

Vorwürfe gegen deutschen Kardinal Franz Hengsbach

Im September 2023 wurde bekannt, dass das katholische Bistum Essen Vorwürfe gegen einen Gründerbischof, Kardinal Franz Hengsbach (1910-1991), wegen sexueller Übergriffe untersucht. Nach Pressemitteilungen des Bistums Essen und des Erzbistums Paderborn lagen in mindestens zwei Fällen Vorwürfe sexueller Gewalt gegen Hengsbach vor. Hengsbach ist der erste deutsche Kardinal, der unter Missbrauchsverdacht steht.