Der Ingenieur Sam Salehpour hat bei einer Anhörung im April im US-Senat schwere Anschuldigungen gegen den Flugzeugbauer erhoben. Zwei seiner Boeing-Kollegen sind tot. Foto: //Rod Lamkey

Der US-Flugzeugbauer steht wegen massiver Mängel in der Kritik. Nun sterben binnen drei Monaten zwei Hinweisgeber unter mysteriösen Umständen.

Joshua Dean, der ehemalige Qualitätsprüfer beim Boeing-Zulieferer Spirit Aerosystems, entdeckte gravierende Mängel bei der Produktion eines wichtigen Bauteils, das zu gefährlichem Druckverlust in der Flugkabine der 737 Max führen konnte. Dean hängte die gefährlichen Schlampereien an die große Glocke, nachdem der Hersteller nichts dagegen unternommen hatte. Nun ist der 45-Jährige tot. Dean erlag einer mysteriösen Lungeninfektion, an der er völlig überraschend erkrankt war.

Für seine Mutter, Virginia Green, ist das unerklärlich. Ihr Junge trank nicht, rauchte nicht, aß gesund und machte regelmäßig Sport. „Er war so gesund, dass er nicht einmal einen Hausarzt hatte“, sagt Green. Umso mehr wundert sie, wie schnell Joshua abbaute. Weil das Krankenhaus in Wichita im Bundesstaat Kansas ihm nicht helfen konnte, flogen Rettungshelfer ihn in eine Klinik in Oklahoma City.

Die Ärzte hätten ihr gesagt, sie hätten so etwas wie bei Joshua „noch nie gesehen“. Die Bronchien seien „total zu gewesen“. Am Ende hing er an der Beatmungs- und Dialysemaschine, weil seine Organe nacheinander versagt hätten. Ein Schlaganfall gab dem von seinen Angehörigen als „Gesundheitsfanatiker“ beschriebenen Mann dann den Rest.

Der Tote hatte zuvor Boeing viel Geld gekostet

Sein ehemaliger Arbeitgeber Spirit Aerosystems sprach von „erschütternden Nachrichten“ für die Familie des im April 2023 gefeuerten Qualitätsmanagers. „Unsere Gedanken sind ganz bei Ihnen.“ Warme Worte für einen, mit dem das Unternehmen rechtlich seit Monaten über Kreuz lag und viel Geld gekostet hat. Er sagte in einem Prozess von Boeing-Aktionären gegen den Zulieferer aus und klagte selbst wegen Vergeltung durch den Arbeitgeber. Weil er mit dem Finger auf die Produktionsmängel gezeigt habe, hätte ihn Spirit Aerosystems gewarnt. „Wenn du zu laut bist, stellen wir dich still.“

Doch Dean blieb nicht ruhig, sondern ging an die Öffentlichkeit, um auf „schweres und grobes Fehlverhalten des leitenden Qualitätsmanagements der 737-Produktionslinie“ aufmerksam zu machen. Ein brisanter Vorwurf nach den Unglücken zweier fabrikneuer Maschinen vom Typ 737 Max, die 2018 und 2019 mit insgesamt 346 Menschen an Bord abgestürzt waren. Mit dem Schrecken davon kamen im Januar 2024 Passagiere und Crew einer 737 Max 9 von Alaska Airlines, die während des Flugs ein Rumpfteil verloren hatte.

Zweifel am angeblichen Selbstmord

Noch mysteriöser macht den Tod des Whistleblowers, dass ein zweiter Hinweisgeber in der Boeing-Produktion, John Barnett, Anfang März tot in einer Hotelgarage in Charleston aufgefunden wurde. Der 62-jährige Manager wollte an dem Tag zum dritten Mal über Qualitätsmängel in dem Werk aussagen, das die Langstreckenmaschine 787 baut. Seine Anwälte, die auch Dean vertraten, bezweifeln, dass es sich um einen Selbstmord handelte. Er sei „bestens gelaunt“ gewesen, weil er sich darauf gefreut habe, dieses düstere Kapitel in seinem Leben hinter sich zu lassen. „Wir sahen keine Anzeichen dafür, dass er sich das Leben nehmen würde“, teilten Brian Knowles und Robert Turkewitz in einer Erklärung mit. Die Ermittlungen dauern an.

Ein dritter Whistleblower, der Ingenieur Sam Salehpour, der bei einer Anhörung im April im US-Senat schwere Anschuldigungen gegen den Flugzeugbauer erhob und „ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der 787 und 777“ anmeldete, hat allen Grund, sich zu fürchten. Ihm sei nahegelegt worden, „den Mund zu halten“.

Mutter Virginia will dem Tod ihres Joshua auf den Grund gehen. Sie beantragte eine Obduktion. „Wir wissen nicht, ob ihm jemand was angetan hat“, sagt Green, „oder ob er wirklich sehr krank war.“