Sebastian Blomberg (l) als Wolf, Michael Wittenborn (r) als Retzlaff und Thorsten Merten als Schatz in einer Szene des Films „Curveball – Wir machen die Wahrheit“ Foto: picture alliance/dpa/Filmwelt/Sten Mende

Grotesker als die Wirklichkeit: Arte zeigt Johannes Nabers Geheimdienst-Farce „Curveball“, die erzählt, wie eine Papierserviette den Irakkrieg ausgelöst hat.

Das hätte sich ein Drehbuchautor nicht besser ausdenken können, heißt es gern, wenn eine Verkettung unglücklicher Ereignisse absurde Ausmaße annimmt. Manchmal erzählt die Wirklichkeit Geschichten, die derart bizarr sind, dass sie als Drehbuch völlig unglaubwürdig wären. Deshalb beginnt Regisseur Johannes Naber sein Drama „Curveball“ mit dem Hinweis: „Eine wahre Geschichte. Leider.“

Kampfstoffe

Sie beginnt 1997 im Irak: Chemiker Wolf (Sebastian Blomberg), Experte für biologische Kriegsführung beim Bundesnachrichtendienst (BND), ist überzeugt, dass Saddam Hussein geheime Fabriken für die Herstellung verbotener Kampfstoffe betreibt, doch seine Suche bleibt erfolglos. Zwei Jahre später bittet ihn sein Chef (Thorsten Merten), einen geflüchteten Iraker zu vernehmen. Rafid Alwan (Dar Salim) ist Ingenieur und hat eine plausible Erklärung dafür, warum Wolf und die anderen Kontrolleure der Vereinten Nationen nichts gefunden haben: weil die Kampfstoffe in mobilen Fabriken hergestellt würden, auf riesigen Lastern, die ständig unterwegs seien. Der Mann beteuert, er sei selbst an der Produktion von Milzbranderregern beteiligt gewesen. Die Information versetzt den BND in helle Aufregung: Eine Flasche würde genügen, um Tausende zu töten.

Die Wirklichkeit überholt das abgedrehte fiktive Szenario

Zum Glück entpuppen sich die Erzählungen Rafids als blühende Fantasie: In seinen Sachen finden BND-Agenten einen Aufsatz von Wolf, in dem der Chemiker exakt jene Theorie entwirft, die der Iraker zum Besten gegeben hat; der Mann hat einen cleveren Weg gefunden, um seinen Asylantrag zu beschleunigen. Einziger Beleg für seine Schilderungen war eine Zeichnung auf einer Papierserviette, die skizzierte, wie die Giftstoff-Lkw aussehen. Wolfs kurzzeitig vielversprechende Karriere ist abrupt gestoppt, und auch die Geschichte wäre nun eigentlich zu Ende, aber zwei weitere Jahre später steuern islamistische Terroristen Flugzeuge ins World Trade Center, George W. Bush ruft den Krieg gegen den Terror aus, und Außenminister Colin Powell berichtet im UN-Sicherheitsrat von geheimen Fabriken im Irak zur Produktion von Massenvernichtungswaffen. Als Indiz dient den Amerikanern dabei eine Skizze auf einer Serviette . . . Als Wolf von seiner CIA-Freundin Leslie (Virgina Kull) wissen will, wer ihr das Recht gebe, die Fakten zu verdrehen, entgegnet sie kühl: „Wir machen die Fakten.“

Auch wegen solcher Sätze erinnert die Handlung an Barry Levinsons Film „Wag the Dog“ (1997), in dem ein US-Präsident einen Krieg anzettelt, um seine Wiederwahl zu retten; die Wirklichkeit hat das fiktive Szenario auf tragische Weise überholt.

Angesichts der unzähligen Opfer, die der Irakkonflikt und die kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem sogenannten Islamischen Staat gekostet haben, sahen sich Naber und sein Koautor Oliver Keidel außer Stande, die groteske Geschichte von „Curveball“ – der CIA-Deckname für Rafid – ebenfalls als Satire zu erzählen; immerhin gibt es immer wieder komische Momente.

Preisgekrönter Regisseur

Der Regisseur wurde vor allem durch sein Kammerspieldrama „Zeit der Kannibalen“ (2014) bekannt. Die satirische Abrechnung mit dem Kapitalismus (ebenfalls mit Blomberg) hat beim Deutschen Filmpreis die Auszeichnung für das beste Drehbuch und eine „Lola“ in Bronze bekommen. Auch „Curveball – Wir machen die Wahrheit“ ist weitgehend als Zwei-Personen-Stück gestaltet: Zwischen Wolf und Rafid entwickelt sich eine Art Freundschaft. Dar Salim, Däne mit irakischen Wurzeln, ist ein würdiger Gegenspieler für Blomberg, Zuschauer kennen ihn als Mitglied des Bremer „Tatorts“.

Curveball – Wir machen die Wahrheit: Freitag, 7. Juli, 20.15 Uhr, Arte