Der Stern von Cian Uijtdebroeks ging bei der Vuelta 2023 auf. Foto: imago/ommaso Pelagalli

Der 20-jährige Belgier verkündet trotz eines laufenden Vertrags seinen Wechsel, von dem sein deutscher Radrennstall Bora-hansgrohe aber offiziell nichts weiß. Das Geschäftsgebaren ruft Verwunderung hervor.

Im Fußball haben geneigte Betrachter längst gelernt, dass Verträge das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben wurden. Und wenn ein Verein doch mal auf die Einhaltung des Vereinbarten pocht, wird notfalls eben gestreikt. Der letzte Hochkaräter, der einfach nicht mehr erschien, war im Sommer Stürmerstar Randal Kolo Muani bei Eintracht Frankfurt, mittlerweile soll er bei Paris Saint-Germain rund sieben Millionen Euro Jahresgehalt kassieren. Im Radsport geht es um etwas weniger Geld als im Fußball, manchmal ähneln sich aber die Methoden. Wie nun bei Cian Uijtdebroeks.

Der 20-jährige Belgier gilt als eines der größten Talente seiner Generation für Etappenrennen, was er bei seiner ersten dreiwöchigen Landesrundfahrt eindrucksvoll untermauerte: Bei der Vuelta 2023 wurde er auf Anhieb Achter. Seither weiß jeder, welches Juwel der deutsche Rennstall Bora-hansgrohe da in seinen Reihen hat. Oder hatte?

Bora-hansgrohe gibt sich ahnungslos

Seit Samstag stellt sich diese Frage, die Antwort ist offen. Fest steht bislang nur, dass die niederländische Supermannschaft Jumbo-Visma überraschend Cian Uijtdebroeks trotz eines bis Ende 2024 laufenden Vertrags bei Bora-hansgrohe als Neuzugang vermeldet hat: „Er passt perfekt in unser Team. Wir freuen uns, dass er sich für uns und unseren Ansatz entschieden hat. Wir sehen ihn als zukünftigen Leader“, erklärte die Equipe, die ab 1. Januar Visma-Lease a Bike heißen wird. Uijtdebroeks habe für die nächsten vier Jahre unterschrieben, was das Management des Belgiers bestätigte: „Die Übereinkunft zwischen Cian Uijtdebroeks und Bora-hansgrohe wurde am 1. Dezember 2023 aufgelöst.“ Auch dem Radsport-Weltverband (UCI) sei dies bereits mitgeteilt worden. Dumm nur, dass der deutsche Rennstall davon nichts weiß, zumindest offiziell.

Kurz nach der Bekanntgabe des Wechsels durch Jumbo-Visma kam jedenfalls aus Raubling eine Pressemittelung mit nur zwei Sätzen: „Cian Uijtdebroeks ist und bleibt ein Mitglied von Bora-hansgrohe, auch in der kommenden Saison. Er ist vertraglich bis zum 31. Dezember 2024 an uns gebunden.“

Provokationen als Vorboten des Wechsels?

Ralph Denk, dem Chef des Teams, dürfte schon länger klar gewesen sein, dass Cian Uijtdebroeks nur schwer zu halten sein würde. Während der Vuelta und später noch einmal beim Chrono des Nations hatte der Hochtalentierte, der sich zwei Jahre lang bei Bora-hansgrohe prächtig entwickelte, seine Mannschaft ziemlich deutlich kritisiert – und ihr zwischen den Zeilen fehlende Professionalität vorgeworfen. Dienten schon diese Provokationen dazu, den vorzeitigen Wechsel einzuleiten? Ausgeschlossen ist das nicht. Denn sollte Bora-hansgrohe tatsächlich auf die Einhaltung des Vertrages pochen, das zeigen die Beispiele aus dem Profifußball, hätte das Team wohl wenig von einem unzufriedenen Fahrer, der vor allem für Unruhe sorgt. Folglich dürfte es Denk vor allem darum gehen, (vorübergehend) zu zeigen, dass er nicht alles mit sich machen lässt, um am Ende eine möglichst hohe Ablösesumme zu kassieren. Dazu passt, dass auf der Homepage der Mannschaft am Sonntag zwar noch das Bild von Uijtdebroeks zu sehen gewesen ist, die persönlichen Daten des Fahrers aber bereits gelöscht worden waren.

Zugleich löste das unschöne Geschäftsgebaren rund um Uijtdebroeks in der Radsportszene ziemlichen Unmut aus. So forderte der ehemalige Profi und Fahrersprecher Cedric Vasseur den Rücktritt von Jumbo-Visma-Chef Richard Plugge als Vorsitzender der Teamvereinigung AIGCP: „Du musst die Regeln respektieren – raus da!“ Und Brent Copeland, der Manager des Rennstalls Jayco-Aiula, meinte zum Fall Uijtdebroeks: „Peinlich ist eine Untertreibung.“

Oder anders ausgedrückt: Possen liefert ganz offensichtlich nicht nur der Fußball.