Die Stadtverwaltung möchte künftig nicht auf die Buchen setzen. Foto: dpa//Patrick Pleul

Die Stadtverwaltung möchte die Baummischung im Stuttgarter Stadtwald auf jeden Fall erhalten. Sie möchte einen eigenen Weg einschlagen und nicht auf das Lübecker Konzept setzen, damit man am Ende in einem Buchenwald steht, der dem Klimawandel nicht standhalten kann.

Wie kann der Stuttgarter Stadtwald in den nächsten 50 Jahren und darüber hinaus attraktiv für Mensch und Tier bleiben? Die Mitglieder des Waldbeirats und die Stadträte haben grundsätzlich eine klare Meinung dazu. Vor allem muss der Wald der Erderwärmung trotzen können und klimastabil sein. Bürgermeister Dirk Thürnau und auch Claudia Kenntner, die Leiterin Stadtwald und untere Forstbehörde, betonten in der jüngsten Sitzung des Waldbeirats noch einmal, dass Stuttgart mit seinem Mischwald die besten Voraussetzungen habe, diese Herausforderung zu meistern. „Ich kenne keine Studie, die belegt, welcher Baum klimastabil ist“, sagte Kenntner. Deshalb sei es umso wichtiger, die Vielzahl an unterschiedlichen Bäumen im Stadtwald zu erhalten. „Es wäre unverantwortlich, die Baumartenmischungen durch Nichtstun zu verlieren.“

Mit Nichtstun waren vor allem Teile des sogenannten Lübecker Konzepts gemeint, das versuchsweise auch im Stuttgarter Stadtwald angewandt werden soll. Für Kenntner beinhalte das Lübecker Konzept, dass man die ersten 40 Jahre Lebensjahre den Baum sich selbst überlasse. Studien und Erfahrungswerte in Stuttgart würden allerdings zeigen, dass dann der Buchenanteil erheblich steige. So sei es auch in Lübeck der Fall gewesen. „Das geht in Stuttgart aber nicht“, betonte Kenntner. Die Buche tue sich in der Landeshauptstadt jetzt schon schwer. Und desto wärmer es werde, desto mehr Probleme werde die Buche bekommen. Sie werde eingehen. „Einen reinen Buchenwald möchte ich in Stuttgart auf gar keinen Fall. Das wäre eine Sünde“, sagte Kenntner. Dennoch schlug sie vor, auf rund 20 Hektar das Lübecker Konzept auszuprobieren, „aber eigentlich ist klar, was da herauskommt“. Ihr gehe es dabei vor allem darum, das in zehn bis 15 Jahren auch aufzeigen zu können.

Das Ziel: die sanfte Form der Waldpflege ohne monetäre Interessen

Jörg Noetzel – Mitglied im Waldbeirat und bei der Bürgerinitiative Zukunft Stuttgarter Wald – wollte diese Aussagen so nicht stehen lassen: „Dass nun das Lübecker Konzept in Zweifel gezogen wird, war fast schon zu erwarten. Es wird gesagt, dass es keinen Effekt hat und man jetzt nur uns zuliebe ein bisschen was macht.“ Kenntner betonte, dass drei Hektar pro Versuchsfläche vollkommen ausreichend wären, um Erkenntnisse zu erlangen. „Wir wollen ehrliche Versuchsflächen. Wenn die Wissenschaft sagt, dass wir statt der 20 eben 50 Hektar benötigen, bin ich dabei. Aber wenn zehn bis 30 Prozent des ganzen Stadtwaldes gefordert werden, kann ich das aufgrund der von uns genannten Folgen nicht mittragen. Das Risiko wäre zu hoch“, sagte Bürgermeister Thürnau. Stefan Kress, Mitglied des Waldbeirates und aktiv beim Naturschutzbund (Nabu), sah das als nicht bewiesen an: „Wir wissen nicht, welches Modell das richtige ist.“ Das Stuttgarter oder das Lübecker?

Claudia Kenntner wirbt für das Stuttgarter Modell und eine sanfte Form der Waldpflege, ohne monetäre Komponenten. Man werde fürsorglicher verjüngen, als das in Lübeck der Fall sei. „Wir werden aber auf unserer ganzen Fläche Komponenten des Lübecker Modells berücksichtigen und von der aktuellen waldbaulichen Praxis abweichen.“ Allerdings habe das Lübecker Modell in Reinform eben einen zu hohen Buchenanteil, der in Stuttgart große Probleme auslösen würde.

Am 19. Juni geht es in die nächste Runde

Ob nun das Stuttgarter oder Lübecker Modell für den Stadtwald der Landeshauptstadt besser ist, soll sich endgültig während der angedachten Versuchsphase zeigen. Dabei wollten einige Mitglieder des Waldbeirats nicht nur herauszufinden, bei welchem Modell die meiste Baumvielfalt entsteht, sondern auch wie es um den Wasserhaushalt der Bäume und der Flächen bestellt ist. „So eine Studie können wir nicht leisten. Der Stadtwald-Betrieb ist dafür nicht ausgelegt“, sagte Kenntner. Allerdings seien aktuell viele Studien zu dem Thema in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse und Erkenntnisse daraus könne man auch in Stuttgart verwenden.

Wie die Studie in Stuttgart während der Versuchsphase nun genau aussieht, soll in der Sitzung des Waldbeirats am 19. Juni aufgezeigt werden.