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Er schreitet weder als Nachtwächter durch die Stadt, noch feiert er täglich in Clubs bis in die Morgenstunden. Der Job von Nils Runge? Seit einem halben Jahr ist er Stuttgarts erster Nachtmanager.

Stuttgart - Ein Hoch auf die Klischees. Und von denen gibt es so einige. „Falsche Vorstellung Nummer eins: Ich tingel von Club zu Club, bekommen alle Drinks umsonst und kenne alle Türsteher mit dem Namen.“ Nils Runge lacht. Nicht weniger daneben: „Ich bin eine Art Nachtwächter, der mit einer großen Laterne in der Hand zu später Stunde durch die Straßen zieht und dort für Ruhe und Ordnung sorgt.“ Vielleicht rühren all diese Missverständnisse daher, dass es das Amt von Runge noch nicht lange gibt: Der 33-Jährige ist seit dem 15. März dieses Jahres Stuttgarts erster Nachtmanager. Sein Aufgabengebiet in wenigen Worten zu beschreiben, ist nahezu unmöglich. Der gebürtige Freiburger soll die Themen Nachtkultur, Nachtökonomie und Nachtsicherheit in der Landeshauptstadt und in der Region weiterentwickeln. Er ist Netzwerker, Ansprechpartner und Mediator zwischen den unterschiedlichsten Akteuren der Club-, Party- und Kulturszene, in der Verwaltung und in der Politik. Er gibt ihnen eine Stimme, vermittelt bei Konflikten, klärt offene Fragen, entwickelt langfristige Konzepte und wirbt für ein größeres gegenseitiges Verständnis. Und das – schon sind wir beim nächsten Klischee – geschehe übrigens zu 90 Prozent bei Tag und nicht in der Nacht, versichert der studierte Kulturmanager. Und in Zeiten einer Pandemie „leider häufig in Videokonferenzen und am Telefon“.

Es war Mannheim, das vor drei Jahren mit dem bundesweit ersten deutschen „Nachtbürgermeister“ startet und damit ein Modell kopierte, das sich in den Niederlanden bereits erfolgreich etabliert hatte. Städte wie Mainz und Heidelberg zogen nach. 2020 wurden dann die Weichen in Stuttgart gestellt: Ein Duo sollte sich verstärkt um das Nachtleben kümmern. Eine Mitarbeiterin beziehungsweise ein Mitarbeiter wird in der städtischen Wirtschaftsförderung als verwaltungsinterner „Lotse“ angesiedelt, eine szeneaffine Person – der „Nachtmanager“ – ist dem Pop-Büro Region Stuttgart zugeordnet. Während letztgenannte Position nach einem intensivem Bewerbungsverfahren seit einem halben Jahr von Nils Runge bekleidet wird, ist die andere Stelle nach dem überraschenden Rückzug des ausgewählten Kandidaten weiter unbesetzt. Allerdings steht eine Entscheidung offenbar in nächster Zeit an.

Zu tun gibt es viel für den 33-Jährigen, der bereits als leitender Projektmanager bei Sport- und Großveranstaltungen im Einsatz war. Die Corona-Pandemie hat das Stuttgarter Nachtleben komplett auf den Kopf gestellt, vielen Clubs und Gaststätten fehlt die Perspektive, finanziell läuft es bei einigen nicht gut. Und dennoch eröffnen sich laut Runge derzeit Möglichkeiten, die es vorher so nicht gab. „Die Relevanz des Themas Nachtwirtschaft ist vielen Akteuren – allen voran in der Politik – durch die Pandemie bewusster geworden.“ So wird beispielsweise nach Freiflächen gesucht, die für Konzerte, Veranstaltungen und Partys genutzt werden könnten.

Aber auch die zahlreichen Corona-Verordnungen brachten oft Unklarheiten mit sich. So wurde Stuttgarts Nachtmanager beispielsweise mit der Frage konfrontiert, ob sich der Mindestabstand auf die Gäste oder die Tische beziehe. „Wir haben alle Punkte gesammelt und an die entsprechenden Stellen weitergeleitet. Die Antworten wurden dann auf einer FAQ-Seite veröffentlicht.“ Denn auch dieser Aspekt ist wichtig: Es gilt, möglichst viele Einrichtungen mitzunehmen und Informationen in die Breite zu streuen.

Die von Runge gegründete Koordinierungsstelle „Nachtleben“ zählt mittlerweile rund 100 Akteure. „Es wäre toll, wenn noch mehr Vertreterinnen und Vertreter aus der Region hinzukommen würden.“ Und noch ein weiterer Wunsch begleitet ihn: „Das Stuttgarter Nachtleben ist viel besser als sein Ruf. Es ist kulturell sehr facettenreich, kreativ und vielfältig. Diese Botschaft wollen wir in den nächsten Jahren noch stärker nach außen tragen.“