August 2023: In Italien brennt es an mehreren Orten, hier eine Aufnahme nahe Palermo, Sizilien. Foto: dpa/Salvatore Cavalli

Die zahlreichen verheerenden Waldbrände dieses Jahres zeigen, dass die Gefahr durch unkontrolliertes Feuer weltweit wächst. Hilfreiche Informationen dazu könnte ein Münchner Start-up liefern – mit Daten, die in Echtzeit von Satelliten gesammelt werden.

Unter dem Schlagwort Naturkatastrophen bestimmen in Europa derzeit zwar Überschwemmungen die Schlagzeilen. „Aber es brennt aktuell immer noch, etwa in Sardinien, Portugal oder Kanada“, sagt der Chef und Mitgründer des Münchner Start-ups Ororatech, Thomas Grübler. Nicht zu vergessen das Inferno auf Hawaii. Elf Millionen Hektar Wald seien allein in Kanada dieses Jahr schon verbrannt, was ziemlich genau der gesamten deutschen Waldfläche entspricht.

Der Österreicher kennt sich mit Waldbränden aus, weil sein Start-up sie aus dem Erdorbit per Satellit und Wärmebildkamera aufspürt, die Daten in Echtzeit an Waldbesitzer meldet und Rettungskräften beim Löschen hilft. Damit trifft die 2018 gegründete Firma den Nerv der Zeit. Denn 2023 könnte als das Jahr mit den bislang größten Waldbrandschäden in die Annalen einzugehen.

250 Brände gleichzeitig unter Beobachtung

In der waldreichen kanadischen Provinz Quebec beobachtete Ororatech als Weltmarktführer in der satellitengestützten Wärmebilderfassung jüngst 250 Brände gleichzeitig und entdeckte ein neues Großfeuer auf der italienischen Insel Sardinien. „Unsere Systeme erkennen durchschnittlich etwa 10 000 Feuer pro Tag“, sagt Grübler. Wälder hätten zwar schon immer gebrannt. Doch die Erderwärmung werde „es von Jahr zu Jahr schlimmer, die Brände verheerender, weil unsere Wälder austrocknen“.

Der Ororatech-Gründer ist kein einsamer Rufer. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen Unep hat voriges Jahr eine Studie veröffentlicht, wonach extreme Waldbrände bis 2030 zahlenmäßig um 14 Prozent und bis 2050 um 30 Prozent zunehmen werden. Voraussetzung dafür ist die eher optimistische Annahme, dass es gelingt, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken.

Schon heute brennt es nicht nur in Afrika, wo das schon immer so war, sondern auch in Regionen wie der Arktis. In Kalifornien habe man es aufgegeben, von einer Waldbrandsaison zu sprechen, weil Bäume inzwischen das ganze Jahr über in Flammen aufgingen, berichtet Grübler. Mit steigender Waldbrandfrequenz haben Wälder immer weniger Zeit, sich zu erholen, was ihre Funktion als CO2-Speicher bedroht.

„Deutschland hat bislang Glück gehabt“

„Waldbrände setzen etwa 20 Prozent aller globalen Treibhausgase frei“, erklärt Grübler. Sie seien zugleich Folge und Ursache des Klimawandels. Auch für die Bundesrepublik sieht der Ororatech-Chef steigende Risiken, wobei das waldreiche Brandenburg in puncto Feuergefahr als das Kalifornien Deutschlands gilt. „Unsere Wälder sind extrem vom Borkenkäfer befallen und trocknen aus“, sagt Grübler und fügt hinzu: „Bislang haben wir nur Glück gehabt.“

Im Juni vorigen Jahres habe Ororatech einen Waldbrand nahe dem brandenburgischen Beelitz aus dem All zwei Stunden vor den öffentlichen Stellen entdeckt. Mittlerweile ist der Katastrophenschutz Havelland einer der ersten deutschen Ororatech-Kunden. Noch wichtiger für das Start-up ist ein jüngster EU-Auftrag für das Copernicus-Programm der europäischen Raumfahrtbehörde Esa, der genaue Wärmedaten der Erdoberfläche inklusive der Hitzeentwicklung in Städten liefern soll. „Das ist unser bisher größter Auftrag“, sagt Grübler. In Kanada bewirbt sich Ororatech zudem um ein womöglich noch größeres Geschäft.

Das Land will seine Wälder künftig per Satellit auf Brände hin überwachen lassen. Rund 110 Millionen Euro würde ein Zuschlag auf fünf Jahre verteilt bringen. Grübler rechnet sich gute Chancen aus. Das wäre für das Unternehmen, das dieses Jahr mit etwa vier Millionen Euro Umsatz kalkuliert, ein Quantensprung. Auch ohne kanadischen Großauftrag sind die Wachstumspläne ehrgeizig. Eine Verdoppelung der Umsätze plant Ororatech jeweils für die Jahre 2024 und 2025. Denn über die reine Beobachtung von Waldbränden hinaus sei man nun auch in der Lage, per Künstlicher Intelligenz auch Prognosen zu deren Ausbreitung zu liefern.

Ororatech verspricht präzise und verlässliche Voraussagen

„Wenn man weiß, dass ein Feuer in ein bis zwei Tagen an einem fünf Kilometer entfernten Ort ankommt, kann man dort rechtzeitig Brandschneisen schlagen“, erklärt Grübler. Um so etwas präzise und verlässlich voraussagen zu können, braucht es Daten über Wind und Luftfeuchtigkeit, den Trockengrad von Böden oder Baumarten und deren Dichte. Das vereint Ororatech in seinem System von 2024 an erdumfassend.

Dazu wollen die Münchner kommendes Jahr auf einen Schlag acht ihrer Satelliten in den Erdorbit bringen, was die Gesamtzahl eigener Wärmebildkameras auf zehn erhöhen würde. „So können wir jeden Fleck der Erde mindestens zweimal täglich abtasten“, sagt Grübler. Das kommt zur richtigen Zeit. Denn inzwischen scheint keine Region der Erde mehr vor Waldbränden sicher zu sein.

Satellitengestützte Wärmebilderfassung

New Space
Ororatech ist eines der erfolgreichsten deutschen Start-ups im Bereich New Space. Unter diesem Begriff versteht man das global wachsende und in Deutschland europaweit führende Segment privater Weltraumfirmen, das sich von Trägerraketen bis zu orbitalen Minisatelliten aller Art erstreckt. Im Bereich satellitengestützte Wärmebilderfassung sieht sich das Unternehmen aus München mit seinen 80 Beschäftigten als Weltmarktführer.

Satelliten
Anfangs griff das 2018 gegründete Start-up auf Wärmebilddaten bestehender Fremdsatelliten zurück. Diese entdecken Waldbrände aber eher zufällig. Nachmittags, wenn die meisten Feuer ausbrechen, sind sie dafür wegen ungünstiger Umlaufbahnen oft blind. Deshalb ist Ororatech gerade dabei, eigene Wärmebild-Satelliten in den Erdorbit zu bringen. Zwei davon kreisen bereits um die Erde. Insgesamt geplant ist ein Netz aus etwa 100 Satelliten.