In Deutschland spielte Julian Gressel nur vierte Liga. Seit Jahresbeginn ist er Stammkraft bei Inter Miami in der MLS - und dort geschätzter Mannschaftskollege von Lionel Messi.
Julian Gressel war „schon ziemlich nervös“, als er zum ersten Mal die Kabine von Inter Miami betrat. Nicht, weil er der Neue war, das war er in seinen sieben Jahren in der nordamerikanischen Fußball-Profiliga MLS schon häufiger. Aber jetzt traf er eben zum ersten Mal auf einen Mitspieler, wie er einzigartiger nicht sein kann: Lionel Messi. Was sagt man da? „Ich bin der Julian, schön dich kennenzulernen, wie geht’s - das war es.“
Dabei ist es freilich nicht geblieben. Gressel (30) spielt bei Inter Miami eine tragende Rolle. Er ist der Mann an und auf der Seite von Messi: rechts hinter, neben oder schon auch mal vor ihm. „Es hat sich ganz gut eingespielt“, sagt der gebürtige Mittelfranke im Videocall mit dem SID. Noch immer kommt ihm das aber auch vor wie ein „Traum“, häufig sind da noch immer „so Momente, wo ich tief durchschnaufe und denke: Wahnsinn, dass du hier spielen darfst.“
Es ist ja auch irgendwie märchenhaft. In Deutschland hat Gressel, geboren in Neustadt an der Aisch in Mittelfranken, maximal vierte Liga gespielt. Dann landete er über Kontakte auf Facebook in den USA. Spielte am College in Providence im Bundesstaat Rhode Island. Wurde von Atlanta United im Draft gewählt, war Rookie des Jahres 2017, Meister 2018. Ging 2020 nach Washington. Dann nach Vancouver. Wechselte 2023 nach Columbus. Gewann dort erneut den MLS-Titel.
Die anfängliche Ehrfurcht vor den großen Namen hat Gressel abgelegt
Und nun also: Inter Miami. Messi. Luis Suarez. Sergio Busquets. Jordi Alba. Tatsächlich wollte ihn der Klub von Co-Besitzer David Beckham unbedingt haben, genau genommen „Tata“ Martino, der schon in Atlanta Gressels Trainer war. Auch New England Revolution aus Boston und damit der Heimat seiner Frau Casey buhlte um Gressel. Am Ende aber war die Aussicht, mit all den Stars zu spielen, zu verlockend, „zu dominant in meinem Kopf“ und „zu schön, um wahr zu sein“.
Die anfängliche Ehrfurcht vor den großen Namen hat Gressel mittlerweile abgelegt. „Das sind ganz normale Menschen, es war sehr einfach, sich zu integrieren.“ Es hilft, dass er seine Basiskenntnisse in Spanisch täglich ausbaut. Auf der Fahrt zum Training hört Gressel Spanisch-Podcasts, „Schule auf Rädern“, nennt er das. Das Training bei Inter Miami wird sowieso auf Spanisch abgehalten. Und das Englisch von Messi ist nicht das beste.
Es ist trotz all der Jahre in der MLS eine neue Welt für Gressel. Erst war da sein Traum, Fußball-Profi zu werden, nun lebt er ihn sogar an der Seite eines Weltstars, eines Weltmeisters. Es ist wie eine Krönung der Karriere, findet Gressel. Und, vor allem wegen des Trubels um Messi, auch „ein ganz anderes Leben - es ist Wahnsinn, ganz speziell“. Beeindruckt ist er auch vom Niveau seiner Mitspieler: „Wie gut die einfach auch kicken können, ist schon krass.“
Die Chance, an der Seite von Messi glänzen zu können, bringt Gressel, seit seiner Heirat auch Besitzer eines US-Passes, womöglich auch dem Nationalteam seiner zweiten Heimat wieder etwas näher. Sechs Länderspiele bestritt er bislang, doch Nationaltrainer Gregg Berhalter hat sich lange nicht mehr gemeldet. „Da muss ich“, sagt Gressel, „bei Miami eben weiter meine Leistung bringen.“ Und dort weiß nicht nur Messi, was sie an ihm haben.