Museumsleiterin Elena Kaifel (li.) und Ausstellungsmacher Olaf Schulze von Pro Alt-Cannstatt im Cannstatter Stadtmuseum. Foto: Iris Frey

„Menschen in der Stadt“ heißt die neue Ausstellung, die ab sofort bis 6. Oktober im Cannstatter Stadtmuseum zu sehen ist.

Wie und wo sich die Menschen im größten Stadtbezirk Stuttgarts von 1796 an unter freiem Himmel bewegt haben und was sie erlebt haben, zeigt die aktuelle Sonderausstellung im Stadtmuseum. Olaf Schulze und Matthias Busch von Pro Alt-Cannstatt haben die spannende Schau zusammengestellt. Dabei wurden sie von vielen Leihgebern wie Eberhard und Anne Wagner unterstützt, die 2018 und 2021 gestorben sind.

Die Ausstellung ist eine Kulturgeschichte des Schauens und Gesehen-Werdens. Sie gibt im Rückblick neue Sichtweisen auf Menschen und besondere Ereignisse, etwa einen spannenden Blick auf die Geschichte der Cannstatter Brücken: Während aktuell die Rosensteinbrücke Stück für Stück demontiert wird, gibt es im Stadtmuseum Fotografien von Lothar Futscher, welche die Sprengung der Wilhelmsbrücke 1929 dokumentieren, die damals gleich nach der Einweihung der Rosensteinbrücke erfolgte.

Original-Aquarell zeigt Schlacht an Wilhelmsbrücke

Die besondere Zeitreise beginnt im Museum an der Wilhelmsbrücke. Zentrales Thema: Die Schlacht „Bei Kann – statt an der Brucken“ vom 21. Juli 1796. Pro Alt-Cannstatt zeigt dazu ein farbiges Original-Aquarell aus dem Jahr 1835, welches die Söhne des Fähnrichs Carl Baron Vauthier von Baillamant haben anfertigen lassen. Auf dem Bild ist Fähnrich Baillamant zu sehen, der mit seinem Infanterie-Regiment die Brücke im napoleonischen Krieg verteidigt. Zimmerleute zerstören die hölzerne Brücke. Die Franzosen werden abgewehrt. Das Aquarell könnte die Vorlage für einen Stich in schwarz-weiß sein, der ebenfalls zu sehen ist und der laut Historiker Schulze vermutlich dem Cannstatter Kunstmaler Hermann Metzger für sein großes Wandgemälde als Vorbild diente, welches zur Fasnet stets am Historischen Rathaus hängt.

Interessant auch der Blick auf die vielseitige Tätigkeit der Nachtwächter. Ihre Aufgabe war es, nicht nur für die „Ausnüchterung von Weinleichen“ zu sorgen, sondern auch die Wengerter vor Sturm und die Bürger vor feindlichen Angriffen zu warnen. Die Schau erinnert daran, dass es in Cannstatt bis 1865 Nachtwächter gab. Der Letzte starb 1897 im Alter von 90 Jahren und hieß Abraham Kärcher.

Schaukästen mit Modellfiguren an drei Cannstatter Orten

Auch zahlreiche Objekte unterstützen den Blick auf die Menschen in der Stadt: So gibt es drei Dioramen, also Schaukästen, in denen Szenen in der Marktstraße, im Garten des damaligen Hotels Herrmann und in der Bahnhofstraße mit Modellfiguren vor einem bemalten Hintergrund gezeigt werden.

Kurios und faszinierend die Bilder der Eisfeste auf dem Neckar von 1880 und 1928/29 in einer großformatigen aquarellierten Zeichnung mit zahlreichen Cannstatter Persönlichkeiten von Rilling, bis zum Rösslewirt Hahn und zum Seilermeister Wunder. Auf einem Eisfest-Bild der Wunders ist ein Seilergerät und ein Vertreter der Familie zu sehen. Es gibt sogar ein Seilergerät im Museum. Der Cannstatter Seilerwasen am Neckar erzählt seine eigene Geschichte. Auch später im Museum mit Fotos von Menschen vor Häusern wie etwa in der Schönestraße.

Italienische Zeitung berichtet über Vorfall in Cannstatt

Die Berichte reichen sogar bis nach Italien. Dort hat nämlich 1900 das illustrierte Sonntagsblatt in Rom eine ganze, farbig illustrierte Seite über einen Vorfall in Cannstatt unter der Überschrift „Ein Löwe in einem Garten“ gedruckt. Die Tierbändigerin Claire Heliot (1866 – 1953) hatte im Biergarten hinter dem Wilhelma Theater einen Löwen zu Werbezwecken durch die Freiluftgaststätte geführt. Der kleine Sohn des französischen Konsuls in Cannstatt wollte flüchten. Doch der Löwe wollte mit ihm spielen und warf ihn zu Boden. Dem Kind ist nichts passiert. Aber bei den Biergartengästen war die Aufregung damals groß. Eine großformatige Illustration in der italienischen Zeitung zeigt die Szenerie.

Kuriose Unfälle und historische Filme

Kuriose Unfälle, schwimmende Badenixen von 1911 bei einem Schwimmwettbewerb und Badefrösche beim Leuze um 1900 bereichern die Schau ebenso wie erzählende Ansichten aus der Marktstraße und vor dem Kursaal sowie zwei interessante historische Filme von 1985 und 1986.

Kuratorenführungen gibt es am 1. April um 15 Uhr, am 21. April um 15 Uhr, am 19. Mai um 15 und 17 Uhr sowie am 7. Juli, 22. September und 6. Oktober um 15 Uhr im Stadtmuseum, Marktstraße 71/1.