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Die Stuttgarter Komödie im Marquardt präsentiert ein musikalisches Porträt der großen Hildegard Knef.

StuttgartIch will alles oder nichts“ – das war Hildegard Knefs Lebensmotto, beruflich wie privat. Ihr unbeugsamer Wille, ihre Unerschrockenheit, ihr felsenfester Glaube an ihr Talent kennzeichneten die Ausnahmekünstlerin. Sie war der erste deutsche Nachkriegsstar, eine charmante Diva mit Berliner Schnauze, die ein Leben der Extreme führte, bittere Rückschläge wegsteckte, indem sie sich immer wieder hervorragend selbst in Szene setzte. „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ ist nicht nur der größte Hit „der besten Sängerin ohne Stimme“, wie Ella Fitzgerald die Kollegin einmal bezeichnete, sondern auch der Titel der unterhaltsamen musikalischen Revue, die jetzt in der Regie von Frank-Lorenz Engel an der Stuttgarter Komödie im Marquardt viel bejubelte Premiere hatte.

Am Schluss regnet es tatsächlich Rosenblätter auf die beiden großartigen Knef-Darstellerinnen. In dem Stück von Autor James Edward Lyons blickt Antje Rietz als die 50-jährige Sängerin und Schauspielerin, vom Mann verlassen und von einer Brustkrebsoperation gezeichnet, auf ihr bisheriges Leben. Sie hält mal kritisch, mal ironisch Zwiesprache mit ihrem 20-jährigen Alter Ego. Sophia Euskirchen vermittelt diese unerschrockene Aufbruchstimmung, die Unbekümmertheit der 1925 in Ulm geborenen Hildegard Frieda Albertine, die nach einem aufreibenden Leben 2002 in Berlin starb.

Die Knef spielte in 50 Kinofilmen, veröffentlichte mehr als 300 Lieder, schrieb Bestseller, überstand zig Operationen und war drei Mal verheiratet. Zu ihrem Fitnessrezept befragt, soll sie gesagt haben: „Ich laufe jeden Tag Amok“.

Sie erfindet sich immer wieder neu

Mit diesem Galgenhumor überstand sie Jahre ohne Filmrollen in Hollywood. Zurück in Deutschland drehte sie 1950 „Die Sünderin“ und sorgte mit einer kurzen Nacktszene im prüden Nachkriegsdeutschland für einen riesigen Kino-Skandal. Sie ging zurück nach Amerika, spielte am Broadway, überwarf sich mit der Filmgesellschaft 20th Century Fox. Sie erfand sich selbst immer wieder neu, wechselte von der Schauspielerin zur Sängerin und zur Autorin.

Die Knef machte aus ihrer Entschlossenheit einen Schlager: „Ich brauch’ Tapetenwechsel“ knarzte sie, kam wieder nach Deutschland, wo seichte Filmchen floppten. Sie wurde vom Publikum abgelehnt und drehte in England und Frankreich. Ihre selbstironische Sichtweise der Dinge: Sie habe mit bedeutenden Regisseuren unbedeutende Filme gemacht, die bedeutendes Geld einspielten, von dem sie nichts sah. Hildegard Knef war pleite, als sie 1959 den sieben Jahre jüngeren David Cameron kennenlernte. Ehemann Nummer zwei sorgte für neuen Lebensmut und ein Leben im Jetset. Mit 43 bringt sie Tochter Christina zu Welt. „Von nun an ging’s bergab“ singt Antje Rietz melancholisch im Kegel des Scheinwerferlichts: Krebs, Medikamente, Alkohol, Scheidung, Schulden und Schönheits-OP.

Der rote Faden durch die turbulenten Lebensetappen der kettenrauchenden Ikone, deren Markenzeichen mehrere Lagen falsche Wimpern über den dunkel geschminkten Augen waren, sind die Chansons. Mit ihrem rauchigen Timbre machte die Knef diesen Sprechgesang zu etwas Einzigartigem und hatte Erfolg, auch weil sie es wie keine andere Sängerin zu dieser Zeit verstand, aus einfachen Worten starke Bilder zu erzeugen, die die Menschen packten. „Ich möchte am Montag mal Sonntag haben“ oder „Eins und eins, das macht zwei“ sind Paradebeispiele ihrer gesungenen Kurzgeschichten, deren griffige Alltagspoesie die Zuhörer nach wie vor so berührt, dass es in der Komödie im Marquardt bei der Premiere – auch für die unaufgeregte Darbietung – Zwischenapplaus gab.

Die Arrangements (William Ward Murta) der alterslosen Songs und der Musik, die Schlager, Chanson, Jazz und Swing verknüpfen, sind eingängig. Die beiden Schauspielerinnen werden auf der Bühne von Jan Mikio Kappes am Kontrabass und dem Pianisten Horst Maria Merz begleitet, der auch in kleinere Rollen springt. Den Rest des Personals übernehmen die beiden Schauspielerinnen selbst.

Ausgezeichnete Darstellerinnen

Die Bühne von Su Sigmund ist schlicht: ein Sessel, auf dem die Knef mit der Schreibmaschine auf dem Schoß ihre Biografie tippt, und ein großer Leuchtrahmen, in dem die Schauspielerinnen bei ihren Gesangsauftritten vom Scheinwerferlicht angestrahlt werden.

Antje Rietz kommt „Hilde“ optisch sehr nahe – die Maske hat ganze Arbeit geleistet. Diese melancholisch-ironisch Art der gereiften Knef, ihre Schnoddrigkeit und die Stimmlage bringt Rietz auch im Spiel und im Gesang gut zum Ausdruck, ohne zu kopieren. Bei aller Ähnlichkeit behält sie eine wohltuende Distanz, die Raum für die eigene Interpretation lässt. In 90 Minuten klappt leider nur ein kleines Zeitfenster des prallgefüllten Künstlerlebens auf. Am Schluss gab’s viel Applaus vom Publikum für zwei ausgezeichnete Darstellerinnen und solide Unterhaltung.

Vorstellungen bis zum 10. März täglich außer montags. Telefonischer Vorverkauf unter Telefon 0711-2277 00.

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