Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) Foto: dpa/Christoph Schmidt

Kultusministerin Theresa Schopper nutzt viele Hebel, um die Unterrichtsversorgung wenigstens stabil zu halten. Wo die Lage an den Schulen im Land am schwierigsten ist.

1,5 Millionen Schüler und 130 000 Lehrkräfte starten in Baden-Württemberg am Montag pünktlich nach dem ersten Gong ins neue Schuljahr. Zu den guten Nachrichten, die Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) in ihrer Pressekonferenz zum Schulstart verkünden konnte, gehört, dass die Unterrichtsversorgung nicht schlechter geworden ist. Substanziell verbessert hat sie sich allerdings auch nicht. Derzeit sind im Land noch 565 Lehrerstellen unbesetzt; vor einem Jahr galt das noch für 890 Stellen.

Ein Grund zur Entspannung ist das allerdings nicht. Denn die Lehrer- und Unterrichtsversorgung ist im Südwesten weiterhin angespannt. „Die Unterrichtsversorgung bleibt auch in diesem Schuljahr unsere größte Herausforderung“, sagte Schopper. Tatsächlich hat die Schulverwaltung damit zu kämpfen, dass der Nachwuchsmangel im Lehrerberuf auf wachsende Schülerzahlen trifft. Allein die Grundschulen müssen im neuen Schuljahr 15 000 zusätzliche Schüler, darunter 8000 geflüchtete, verkraften. „Der Zuwachs ist annähernd dreimal so hoch wie im Jahr der Flüchtlingskrise 2015/16“, erklärte Schopper. Insgesamt würden an den Grundschulen im Land etwa 500 zusätzliche Klassen eingerichtet. Zur Zeit gehen rund 53 000 Geflüchtete in baden-württembergische Schulen, darunter 32 000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine.

Der Fortschritt wird aufgefressen

Die Ministerin zeigte sich ausgesprochen erleichtert, dass sie dank des Aufbaus zusätzlicher Studienplätze in den vergangenen Jahren jetzt erstmals wieder mehr als tausend Grundschullehrer einstellen konnte. In den nächsten Jahren werde diese Zahl noch auf etwa 1400 Personen steigen. In den Grundschulen und in den Schulen mit sonderpädagogischem Profil gab es in den Vorjahren den drückendsten Lehrermangel. Allerdings räumte Schopper ein, dass die Fortschritte beim Personalangebot an den Grundschulen durch die steigenden Schülerzahlen aufgefressen würden.

Die Personalplanung des Kultusministeriums musste viele Stellschrauben nutzen, damit die Lücken im Unterricht nicht noch größer werden. Insgesamt waren zu Beginn des neuen Schuljahrs 5600 frei gewordene Stellen wieder zu besetzen. 2600 Lehrkräfte sind nach Schoppers Worten dem Aufruf von ihr und Ministerpräsident Winfried Kretschmann gefolgt und haben ihr Teilzeitdeputat aufgestockt. Diejenigen, die dies bereits im Vorjahr getan hätten, hätten ihre höhere Stundenzahl beibehalten. Allein durch die Aufstockung bei Teilzeit-Lehrkräften hätten rechnerisch 280 offene Stellen besetzt werden können.

Auch andere Maßnahmen, die das Kultusministerium in die Wege geleitet hat, um zusätzliche Personalreserven zu erschließen, haben sich laut Schopper ausgezahlt: Umgerechnet knapp 300 Stellen konnten durch Direkteinsteiger besetzt werden, fast 500 pensionierte Lehrkräfte haben befristete Verträge unterschrieben, (was 181 Stellen entspricht). 174 Lehrkräfte gehen später in Pension (146 Stellen), 86 ausgebildete Gymnasiallehrer haben sich an andere Schularten abordnen lassen (50 Stellen). Für den Unterricht von geflüchteten Kindern wurden knapp 2200 Menschen gewonnen, was 1339 Lehrerstellen entspricht.

Unerwünschte Nebenwirkung

Füglich ärgern könnte die Kultusministerin, dass die von den Lehrerverbänden seit langem geforderte Durchbezahlung der Lehrkräfte in den Sommerferien, die im Vorjahr von der Koalition beschlossen und in diesem Sommer erstmals praktiziert wurde, negative Begleiterscheinungen hatte. Schopper ließ jedenfalls durchblicken, dass der Anreiz in unbeliebte Regionen zu gehen, wo die Lehrerversorgung sowieso schwierig ist, dadurch in der Tendenz eher noch gesunken ist. „Es wird mit der Durchbezahlung und der finanziellen Besserstellung auch für angehende Lehrkräfte attraktiver, sich gegen eine feste Stelle zu entscheiden, wenn diese sich nicht am Wunschort befindet“, sagte sie. „So ist die räumliche Mobilität der Bewerber weiterhin schwach ausgeprägt.“

Tatsächlich sind die weißen Flecken auf der Schullandkarte, wo offene Stellen wegen Bewerbermangels kaum besetzt werden können, immer größer geworden. Betroffen sind laut Kultusministerium ländlichere Regionen und der Großraum Stuttgart. „Die Bereitschaft, sich für eine unbefristete Einstellung auch an eine etwas weiter entfernte Schule zu bewerben, bleibt niedrig“, konstatierte Schopper.

Die Opposition im Landtag monierte, dass es kaum bildungspolitischen Fortschritt im Land gebe. „Die im Unterricht spürbaren Verbesserungen an unseren Schulen gehen unter dieser Landesregierung gegen Null“, kritisierte Stefan Fulst-Blei (SPD). „Noch weniger geht nicht“, erklärte Timm Kern (FDP) zur Halbzeitbilanz der Kultusministerin und zum Schulstart.