Josef Bartoks (Oliver Masucci) Rettung wie auch sein Verhängnis in der Gestapo-Einzelhaft ist das Spiel der Könige: Schach. Foto: Studiocanal/ Walker + Worm Film /Julia Terjung

Die ARD zeigt eine kühne Neuverfilmung von Stefan Zweigs „Schachnovelle“ – mit einem vortrefflichen Oliver Masucci in der Hauptrolle.

Als Stefan Zweig Ende der dreißiger Jahre im Exil seine „Schachnovelle“ verfasste, verstand er die Erzählung als Hommage an die Unbesiegbarkeit des Geistes. Mit seiner kühnen Adaption hat Drehbuchautor Eldar Grigorian die Geschichte über einen Notar, der sich in der Gestapo-Einzelhaft in eine Wahnwelt rettet, neu erfunden.

Der Film beginnt mit einer erfolgreichen Flucht: Josef Bartok erreicht während des Zweiten Weltkriegs ein Schiff nach New York. Einzige Attraktion an Bord ist der amtierende Schachweltmeister Czentovic, ein grobschlächtiger Analphabet, der in Simultanpartien ein gutes Dutzend Mitreisende deklassiert. Als Bartok einem Industriellen rät, wie er dem genialen Gegner zumindest ein Remis abtrotzen könne, überredet ihn der Mann zu einem Duell gegen Czentovic; aber Bartok hat noch nie in seinem Leben eine Schachfigur berührt.

Nichts als Traum in einem Traum

Ungleich stärker als die 1960 mit Curd Jürgens schon einmal verfilmte Vorlage leuchtet Grigorians Version die psychischen Abgründe der von Oliver Masucci mit Leib und Seele verkörperten Hauptfigur aus. Auch dank Philipp Stölzls Umsetzung schwingt stets jene Frage mit, wie Edgar Allan Poe sie einst in seinem berühmten Traumgedicht formulierte: „Ist all Schau’n und Schein nur Schaum – nichts als Traum in einem Traum?“

In der Tat kann sich Bartok seiner selbst nicht sicher sein, wie sich schon früh andeutet, als sich herausstellt, dass er keineswegs in Begleitung seiner geliebten Gattin Anna (Birgit Minichmayr), sondern allein unterwegs ist.

Faszinierender noch als die Begebenheiten auf dem Schiff sind die in langen Rückblenden erzählten Ereignisse, die sich zuvor in Wien zugetragen haben, Anfang 1938, als der Notar die faschistische Bedrohung durch den mächtigen Nachbarn nicht wahrhaben wollte. Am Tag des sogenannten Anschlusses wird er prompt verhaftet. Bartok hat das Vermögen des österreichischen Alt- und Geldadels auf ausländischen Nummernkonten deponiert. Ohne die jeweiligen Codes hat der neue Wiener Gestapo-Chef Böhm (Albrecht Schuch) keinen Zugriff auf die Reichtümer. Da der Jurist die Ziffernfolgen auswendig gelernt und die Unterlagen verbrannt hat, lässt Böhm ihm eine „Sonderbehandlung“ zuteilwerden: Abgeschirmt von sämtlichen Außenreizen verbringt Bartok die nächsten zwölf Monate in Einzelhaft. Die erzwungene intellektuelle Askese zehrt an seiner seelischen Stabilität, bis es ihm eines Tages gelingt, auf dem Weg zum Verhör ein Buch über berühmte Schachpartien zu entwenden. Fortan widmet er seine Zeit mit selbst geformten Figuren auf den Badezimmerfliesen dem Spiel der Könige.

Preiswürdige Bildgestaltung

Obwohl der Film größtenteils aus Innenaufnahmen besteht, ist „Schachnovelle“ kein Kammerspiel, weil Stölzl („Der Schwarm“, ZDF) dank der preiswürdigen Bildgestaltung (Thomas W. Kiennast) ein Kunststück gelungen ist: Die düsteren Bilder vermitteln zwar die klaustrophobische Beengtheit von Bartoks Isolation und illustrieren sein Abdriften in psychische Untiefen, sind aber dennoch „groß“. Clevere Details sorgen dafür, dass sich die Rahmenhandlung ständig in einer Welt zwischen Wahn und Wirklichkeit bewegt.

Schachnovelle: 3. Juli, 20.15 Uhr, ARD