Rede in unsicheren Zeiten an eine verunsicherte Nation: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Foto: dpa/Michael Kappeler

Der Bundespräsident betont den Zusammenhang von Engagement und Gerechtigkeit und bereitet die Bürger auf rauere Jahre vor. Dennoch hat bei seiner Grundsatzrede etwas gefehlt, kommentiert Norbert Wallet.

Der Bundespräsident war bisher in diesem Krisenjahr, man muss es so hart ausdrücken, ein kompletter Ausfall. Das hatte ganz objektive Gründe. Mit Russlands Angriff auf die Ukraine lag eine deutsche Außenpolitik in Scherben, die zu lange darauf hoffte, dass Wladimir Putin letztendlich doch einbindbar sei in Handelsnetze und politische Abkommen – eine Außenpolitik, die in den Grundzügen von SPD wie Union mitgetragen wurde, deren Architekt aber zu wesentlichen Teilen Frank-Walter Steinmeier gewesen war. Die brüske Ausladung durch Kiew im April stellte das Problem ins grelle Rampenlicht. Steinmeier hat unter der Situation gelitten. Er hat sich für persönliche Fehleinschätzungen entschuldigt. Die notwendige Freiheit, sich mit gebührender Klarheit zur prekären Lage der Nation zu äußern, glaubte er aber offenkundig erst nach seinem in dieser Woche dann doch stattgefundenen Kiew-Besuch zu haben.