RAF heißt Lesen, Lesen, Lesen: Andreas Baader und Gudrun Ensslin. Foto: zählung zur Sa alliance / ASSOCIATED PR/STR

Ein Roman aus der Perspektive von RAF-Terroristin Gudrun Ensslin? Das hat Stephanie Barts gewagt. Eine Begegnung mit einer mutigen Autorin.

Die Erzählstimme durchdringt Raum und Zeit, mal ist sie kollektiv, mal allein; sie kennt die Gedanken eines in Heidelberg stationierten GI, kurz bevor dessen Vorgesetzter bei einem RAF-Bombenanschlag zerfetzt wird; Begriffe wie „Ausrottungsstrategen“ für die Verantwortlichen des Vietnamkrieges gehen ihr so leicht über die Lippen wie die juristischen Stilblüten des Richters Theodor Prinzing, der bis zu seiner Ablösung nach dem 85. Befangenheitsantrag den Stammheim-Prozess leitete, Wortungetüme wie „Ausschlussbeschluss“ oder „Unverzüglichkeitsdatum“; sie schweift zurück in die Idiome der Bauernkriege und voraus auf die Kampfplätze der globalisierten Welt, wo die Mitarbeiter des Taiwanesischen Chipherstellers Foxconn aus Verzweiflung über die Arbeitsbedingungen ihrem Leben ein Ende setzen; und sie träumt die Träume der in Stammheim Inhaftierten – auch ihren letzten, in dem Männer mit weißen Handschuhen einen Mord begehen und als Selbstmord tarnen. Der Geist der Erzählung ist der Geist Gudrun Ensslins.