Im September 2021 gab es in Stammheim eine zweiwöchige Ortsbuspilotphase. Die Nachfrage war hoch. Nun folgt ein zweijähriger Probebetrieb. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

In einigen Stadtbezirken von Stuttgart verkehren sie schon: Nun soll in Stammheim im Dezember der zweijährige Probebetrieb für den Ortsbus beginnen.

Im Dezember zum Fahrplanwechsel wird es in Stammheim gleich eine doppelte Premiere geben: Der zweijährige Probebetrieb für den Ortsbus beginnt, seit Kurzem steht zudem fest, dass die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) der Betreiber sein werden – es ist der erste SSB-Ortsbus in ganz Stuttgart. Allerdings gibt es noch eine große Unbekannte: Momentan ist noch nicht klar, wie der Bus in das VVS-Tarifsystem integriert wird. Vor diesem Hintergrund haben die Bezirksbeiräte einstimmig für einen Antrag votiert, der eine „attraktive Neuregelung“ der Tarifstruktur vorschlägt.

Was darf es kosten?

„Der Ortsbus verbindet und hat eine soziale Funktion“, sagt die Stammheimer Bezirksvorsteherin Susanne Korge. Nicht zuletzt die Pilotphase im September 2021 während der Mobilitätswoche habe gezeigt, wie groß der Bedarf sei. Zudem sei es wichtig, Menschen weg vom Auto hin zu den öffentlichen Verkehrsmitteln zu bringen. Hier stellt sich für Korge und den Bezirksbeirat (und auch den Jugendrat) aber die dringliche Frage nach den Fahrtkosten: Kommt der normale VVS-Tarif zur Anwendung, wären die für viele Nutzer zu hoch. Denn die Strecke wird über ein Dutzend Haltestellen haben, mit einem günstigen Kurzstreckenticket darf man allerdings nur drei Stopps weit fahren. Für alles, was darüber hinaus geht, würden normale Tickets nötig, Hin- und Rückfahrt kosten dann 5,60 Euro.

VVS tüftelt Finanzierungsmodell aus

Beim Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) ist man sich dieses Problems bewusst. „Eine Arbeitsgruppe wird sich zeitnah mit dem Thema auseinandersetzen. Eine konkrete Lösung gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht“, heißt es auf Anfrage unserer Zeitung. Seitens der SSB scheint mittlerweile eines klar zu sein: „Trotz der Fördergelder aus dem städtischen Haushalt wird der Betrieb des Ortsbusses nicht kostendeckend sein.“ Ortsbusse würden gegenüber dem klassischen Linienverkehr ein „hohes Betriebskostendefizit“ erzeugen, da dem relativ hohen Aufwand eine geringe Nachfrage und damit geringe Fahrgeldeinnahmen gegenüber stünden.

Finanzierungsprobleme in Botnang

Finanzierungsprobleme plagen auch die Betreiber aktueller Ortsbusprojekte in der Landeshauptstadt. Beispielsweise in Botnang. Dort wurde vor mehr als zehn Jahren stuttgartweit das erste Ortsbusprojekt ins Leben gerufen, ehrenamtlich getragen vom örtlichen Bürgerverein. Eine Startfinanzierung oder andere Zuschüsse durch die Stadtverwaltung gab und gibt es bislang nicht. Dem gegenüber stehen allerdings ständig steigende Betriebskosten und sinkende Werbeeinnahmen. Kurzum: Die Botnanger möchten gern Geld von der Stadtverwaltung für ihr Projekt – ebenso wie die Betreiber (der Bund der Selbstständigen Weilimdorf) des gemeinsamen Busses in Feuerbach und in Weilimdorf, die mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Ein ganz besonderes Projekt gibt es seit 20 Jahren in Möhringen: Die „Initiative Lebensraum Möhringen“ (ILM) bietet in Abstimmung mit den SSB einen ehrenamtlichen Fahrservice vom Bahnhof zum Pflegezentrum Bethanien. Es ist aber kein Bus unterwegs, sondern es fahren Privatautos. Die Mitfahrt ist kostenlos. Der Service wird gut genutzt.

Weiteres Projekt in Kaltental?

In den Startlöchern für ein Ortsbusprojekt steht man in Kaltental. „Wir hoffen, dass wir in Stuttgart zum zweiten Ergänzungsverkehr werden“, sagt Oliver Augustin, der für Bezirksvorsteher Raiko Grieb die Geschäftsstelle leitet. Stammheim sei gesetzt, doch danach komme hoffentlich Kaltental an die Reihe. Augustin spielt damit auf das Gutachten „Ergänzungsverkehre im Stadtgebiet Stuttgart“ an, das Verkehrsplaner Mario Graunke im Auftrag der Stadt erstellt hat. Im Zusammenhang damit hat die Stadt 600 000 Euro für das Jahr 2023 bereitgestellt, um weitere Busprojekte zu finanzieren. Auch in Kaltental könnte eventuell die SSB AG zum Zuge kommen. Und die teilt mit, dass zwar noch keine Entscheidung getroffen worden sei, Kaltental aber „aufgrund der Topografie und des politschen Willens gute Chancen auf eine Realisierung“ habe.

Mobilitätswoche mit Initialzündung?

In Münster wird es im Herbst einen Schritt weiter in Richtung Ortsbus gehen. Dort soll es im Rahmen der diesjährigen Stuttgarter Mobilitätswoche einen Probebetrieb geben. Geht es nach der Bezirksvorsteherin Renate Polinski, ist der weitere Weg klar vorgezeichnet: „Wir hoffen auf einen Start im Dezember 2023.“ Auch hier war der Verkehrsgutachter Mario Graunke im Bezirksbeirat zu Gast. Er schlägt vor, einen Einkaufsverkehr für die ältere Bevölkerung einzurichten, der bei Bedarf auch zum Erreichen von Veranstaltungen genutzt werden kann. Den Wunsch nach einem derartigen Projekt gibt es in Münster schon länger. Im Jahr 2013 stand man kurz vor der Realisierung, nach zwei Jahren der intensiven Vorbereitung kam jedoch überraschend das Aus.