Laut einer Studie wird derzeit jedes zehnte Kind in Deutschland gemobbt. Foto: picture alliance

Beim Programm „Mobbing & Du – schau hin und nicht zu“ der Baden-Württemberg Stiftung und des Universitätsklinikums Heidelberg sind landesweit 40 Schulen dabei, drei davon in Stuttgart. Jedes zehnte Kind ist schon Opfer von Mobbing geworden.

Der Leidensweg in der Schule beginnt manchmal ganz banal: ein harmloser Streit, ein Missgeschick beim Sport, ein Pickel im Gesicht. Es braucht oft nicht viel, um zur Zielscheibe von Spott und Demütigungen zu werden. Was folgt, können soziale Isolation oder sogar dauerhafte psychische Probleme sein. Um Mobbing an Schulen den Kampf anzusagen, haben die Baden-Württemberg-Stiftung und die Uniklinik Heidelberg ein gemeinsames Projekt entwickelt. Insgesamt 40 Schulen im Land sind mit im Boot, drei davon in Stuttgart. Am Ferdinand-Porsche-Gymnasium (FPGZ) in Zuffenhausen fand nun die Auftaktveranstaltung für die Lehrkräfte statt.

„Hinschauen und reagieren“

„Das wir bei dem Projekt dabei sein können, ist ein großer Schritt nach vorne“, sagt Bettina Althoff, die Präventionsbeauftragte des FPGZ. Natürlich habe man das Thema Mobbing bislang auch schon behandelt, allerdings eben eher punktuell. Jetzt gebe es die Chance, sich dem Problem ganzheitlich und langfristig zu widmen. „Mobbing & Du - schau hin und nicht zu“, so lautet die offizielle Bezeichnung. Das Projekt richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen fünf bis neun und an alle Lehrkräfte. Es folgt dem Grundgedanken, dass jeder Einzelne beim Mobbing eine Rolle hat und zugleich auch etwas dagegen tun kann. „Hinschauen und reagieren“, bringt es Althoff auf den Punkt.

Es gibt diverse Bausteine: elektronisches Lernen, Klassenstunden, Interventionskonzepte und einiges mehr. Sie sollen im ersten Jahr („Basisjahr“) an der Schule eingeführt und in der Folgezeit ausgebaut werden. Zunächst einmal werden allerdings die Lehrkräfte mit dem Thema vertraut gemacht, im Januar werden dann die Schülerinnen und Schüler miteinbezogen. 84 Prozent der Mädchen und Jungs der Klassenstufen fünf bis neun des FPGZ haben vor den Sommerferien an einer anonymen Befragung teilgenommen - deren Ergebnisse nicht publik gemacht werden. „Mobbing ist ein mit Scham besetztes Thema. Man redet nicht gern darüber“, sagt die Psychologin Vanessa Jantzer von der Uniklinik Heidelberg. Die hohe Zahl an Umfrageteilnehmern zeige, wie ernst die Jugendlichen das Problem nähmen.

In der Schule beginnt manchmal ein langer Leidensweg

Am FPGZ wird sich ein Kernteam aus fünf Lehrkräften und der Schulsozialarbeiterin schwerpunktmäßig um das Programm kümmern. Unterstützt werden sie dabei von zwei Psychologinnen vom Uniklinikum Heidelberg. „Wir sehen bei unseren erwachsenen Patienten, dass es bei einigen einen Bezug zum Schulmobbing gibt“, sagt Vanessa Jantzer. Je früher man eingreife, desto besser. Doch nicht nur die Opfer, auch die Täter stünden im Fokus. Diese sollen keinesfalls vor der Klasse bloßgestellt werden, sondern mit Einzelgesprächen - und bei Bedarf mit Konsequenzen und Sanktionen - zur Räson gebracht werden.

Laut einer Studie des HBSC-Studienverbunds Deutschland (Health Behaviour in School-aged Children) wird derzeit in Deutschland eines von zehn Kindern gemobbt. Dabei komme Mobbing an Schulen dreimal so häufig vor im Internet oder in den sozialen Medien. Rund ein Drittel der Betroffenen entwickle psychische Folgestörungen wie Depressionen, Ängste und selbstschädigendes Verhalten bis hin zur Selbstmordgefahr.

Für „Mobbing & Du“ stellt die Baden-Württemberg Stiftung insgesamt 500 000 Euro zur Verfügung. Die Effektivität sowie die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Schüler sollen im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie untersucht werden. Zunächst sind 30 Gymnasien und zehn Grundschulen in Baden-Württemberg mit dabei. In Stuttgart sind das neben dem FPGZ noch das Hegel-Gymnasium in Vaihingen und die Wilhelmsschule in Wangen.