Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert, das Strafrecht so zu verändern, dass die Zugehörigkeit zur Mafia auch in Deutschland ein Verbrechen ist. Ermittler forderten in unserer Zeitung, den Paragrafen 129 Strafgesetzbuch zu überarbeiten.
Eine „dringende Änderung der Strafgesetze im Kampf gegen die Mafia“, fordert der baden-württembergische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer: „Wir fordern, dass der Paragraf 129 des Strafgesetzbuches überarbeitet wird. Die Mitgliedschaft in der Mafia muss aufgenommen und als Verbrechen eingestuft werden. Gemeinsam mit Italien müssen wir konsequent den Kampf gegen die Mafia aufnehmen. Keine politischen Sonntagsreden, sondern politisches Handeln ist gefragt. Den Rest erledigt wie immer die Polizei und die Justiz.“
Hintergrund für Kusterers Äußerung, der stellvertretend auch die DPolG in Deutschland führt, ist die Berichterstattung unserer Zeitung über einen mutmaßlichen Mafiamörder, der trotz Haftbefehls unentdeckt in Bad Urach bei Reutlingen lebte. Der Mann war Ende August von Polizisten des SEK verhaftet worden, nachdem ein Hinweis aus den USA zu ihm bei den deutschen Sicherheitsbehörden eingegangen war: Er hatte sich offenbar kinderpornografisches Material aus dem Internet geladen.
Acht Inhaftierungen in Deutschland, 7106 in Italien
Ermittler forderten in unserer Zeitung daher eine Änderung des Paragrafen 129 des Strafgesetzbuches (StGB): Die deutsche Justiz begegnet den Mafiosi mit dem Absatz 4 des Paragrafen 129 StGB, den sie mit dem 129b StGB verbindet. Damit können Richter Mafia-Mitglieder in schweren Fällen zu Freiheitsstrafen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren verurteilen. Allerdings müssen die Staatsanwälte einem Mafioso konkrete Taten nachweisen, die ihn zum Mitglied eines Mafiaclans machen. Deshalb gibt es in Deutschland nur wenige Verurteilungen nach § 129 StGB. In Italien gibt es den Paragrafen 416 mit dem Mitglieder einer mafiaähnlichen Vereinigung zu Freiheitsstrafen zwischen 10 und 15 Jahren verurteilt werden können, Anführer zu Freiheitsstrafen zwischen 12 und 18 Jahren; gilt die Vereinigung als bewaffnet, zu Freiheitsstrafen zwischen 12 und 26 Jahren. Die Mitgliedschaft gilt als erwiesen, wenn drei oder mehr Personen „die einschüchternde Macht der Bindung an die Vereinigung und die daraus resultierende Unterwerfungs- und Schweigepflicht zur Begehung von Straftaten ausnutzen“. Unter bestimmten Voraussetzungen können die verhängten Strafen noch einmal um ein Drittel erhöht werden. Einzelne Taten wie Zuhälterei oder Mord müssen in Italien nicht nachgewiesen werden.
Nach einer Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages wurden im Jahr 2017 in Deutschland acht Beschuldigte wegen des Paragrafen 129 inhaftiert. In Italien waren es im selben Zeitraum 7.106. In Deutschland ist der Paragraf 129 StGB nur ein sogenanntes Vergehen, also eine Straftat, die mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet wird. Verbrechen werden mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bestraft. Zum Vergleich, in Deutschland ist der Wohnungseinbruchdiebstahl ein Verbrechen und wird mit mindestens einem Jahr Haft bestraft.
„In Deutschland kann man sich völlig sicher zurückziehen“
„Aufgriffe von Mitgliedern der Mafia, die in Deutschland und Baden-Württemberg untergetaucht sind, zeigen die realen Gefahren für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger“, bewertet DPolG-Mann Kusterer. „Während man in Italien den Eindruck gewinnt, dass ein ganzes Land die Mafia bekämpft, kann man den Eindruck gewinnen, dass man sich in Deutschland völlig sicher zurückziehen kann, untertauchen oder aber auch Straftaten planen, um diese in und außerhalb des Landes zu begehen.“