Miranda und Prospero in „Der Sturm“: Wie wird es mit dem Sommertheater im Ludwigsburger Cluss-Garten nächstes Jahr weitergehen? Foto: Theatersommer Ludwigsburg/Stollenberg |

Sparzwänge und zu wenig Lobby: Den freien Ludwigsburger Kulturakteuren geht die Muffe. Sie haben sich in einem Bündnis formiert, um die Vielfalt in der Stadt zu retten.

Es ist ihnen angst und bange im Hinblick auf die Zukunft ihres Schaffens. Und genauso deutlich bringen es Bettina Gonsiorek, Chefin der Tanz- und Theaterwerkstatt, und Jochen Laube, preisgekrönter Filmproduzent und Scala-Gesellschafter, aufs Tapet – auch wenn sie das Ganze eigentlich ins Positive kehren und von Gemeinsamkeit, Sichtbarkeit und Chancen sprechen wollen. Doch: „Uns allen steht das Wasser bis zum Hals. So geht es nicht mehr lange weiter“, sagt Jochen Laube. Ludwigsburgs freie Kulturinstitutionen haben sich deshalb zu einem Bündnis zusammengeschlossen, das vieles eint, vor allem aber dies: die Hoffnung auf ein klares parteiübergreifendes Bekenntnis für die Kultur als Grundlage des Handelns von Politik und Verwaltung.

„WIr lassen uns nicht mehr gegeneinander ausspielen“

Durchweg ausverkaufte Schul- und gut besuchte andere Vorstellungen beim Theatersommer, und doch zweifelt der scheidende Intendant Peter Kratz, ob es das Freilichttheater die nächste Saison noch geben wird. Hochkarätige Konzerte beim Jazzclub in der Musikhalle, bei denen – so Vorstand Gerd Messerschmid – wegen der neuen feuerpolizeilichen Verordnung statt wie früher 102 nur noch 82 Tickets verkauft werden dürfen – wegfallende Eintritte, die der Verein nicht kompensieren kann. Eine nach der Pandemie riesige Nachfrage von Schulen und Kindergärten nach Kooperationen mit der Tanz- und Theaterwerkstatt – aber nicht genügend Personal und Geld, um sie anzuleiern und zu etablieren: Das sind nur drei Beispiele für die Sorgen freier Kulturträger. Manche Institution drohe pleite zu gehen, so Gonsiorek und Laube. „Aus der Politik ist in dieser Hinsicht aber kein Gestaltungswille zu erkennen“, moniert Jochen Laube. „Macht halt weniger: Das ist der einzige Lösungsansatz, den wir zu hören bekommen.“ Dass die Stadt noch viel massiver sparen muss als bisher gedacht, lässt das Sorgenpaket nicht schrumpfen.

Das Bündnis ist breit aufgestellt: Dabei sind das Demokratische Zentrum, der Jazz-Club Ludwigsburg, die KulturWelt – Freies Jugendtheater Ludwigsburg, der Kunstverein Kreis Ludwigsburg, die Ludwigsburger Schlossfestspiele gGmbH, die Scala Kultur Live gGmbH, die Scala Kultur Theatersommer gGmbH und die Tanz- und Theaterwerkstatt – alles Einrichtungen, die von der Stadt institutionell gefördert werden. Indem sie sich Seite an Seite stellen, wollen sie auch zeigen, dass beim Gemeinschaftsziel – der Kunst und Kultur mehr Wertschätzung und Rückhalt zu verschaffen und mehr Gehör zu erhalten – kein Blatt Papier zwischen sie passt. „Natürlich ist jeder sich selbst ein Stück weit am nächsten“, sagt Laube, „aber wir lassen uns nicht mehr gegeneinander ausspielen.“ Nicht nur einmal hätten Kulturträger gesagt bekommen: „Wir können euch nicht helfen, sonst melden sich gleich die anderen.“ Damit müsse Schluss sein. Die Kultur kippe zudem im Vergleich zum Sport hinten runter, der in Verbandsstrukturen organisiert sei und eine bessere Lobby habe.

DIe Kulturmacherinnen- und macher wollen gefragt werden

„Wir sind mittlerweile alle Meisterinnen und Meister im Schreiben von Anträgen“, sagt Bettina Gonsiorek, es gebe kaum einen Fördertopf von Bund oder Land, den man nicht anzuzapfen versuche – mal mit Erfolg, mal ohne. „Aber gegen Kostensteigerungen und Inflation kommen wir nicht an.“ Wenn strukturelle Förderung teils seit mehr als einem Jahrzehnt nicht erhöht oder gar gekürzt worden sei, gehe man irgendwann in die Knie. Und wenn man nicht mal mehr Personal zahlen könne, um mit Verwaltungs- und Organisationskram nachzukommen, blieben Kreativität und Schwung für Neues auf der Strecke – auch beim Ehrenamt, das in diesem Sektor ebenfalls stark engagiert sei.

Das Bündnis fordert, dass seine Expertise in Entscheidungen einfließt – „oft werden wir überhaupt nicht gefragt“, sagt Jochen Laube. Etwa bei den Handlungsfeldern, die als Grundlage der städtischen Kulturpolitik dienen. Zudem will das Bündnis eine „faire Bezahlung“ von Festangestellten und Freiberuflichen, fordert mehr Transparenz in Sachen Kosten und Förderstruktur der Kultur, wünscht sich städtische Initiative in der Recherche und Akquise von Landes-, Bundes- und Europamitteln und mehr Verknüpfung von Kultur mit Wirtschaft und Partnerstädten. Es hofft auch auf eine frühe Beteiligung bei städtischen und überregionalen Gestaltungsprozessen wie bei der Kulturregion, Pop-Up-Projekten oder der IBA. Die Kulturschaffenden wollen als Ideengeber und Akteure für Vermarktung, Information und Präsenz von kulturellem Schaffen und Leben in Ludwigsburg eingebunden werden.

Eine Stadt, die zu Recht mit ihrer Kultur werbe, dürfe diese „nicht „sukzessive ausdorren lassen“, sagt Jochen Laube für das Bündnis. Hierbei in Parametern wie Pflicht und Kür zu unterscheiden, funktioniere in einer Stadtgesellschaft nicht, in der die Kultur einen harten Kern bilde und den Zusammenhalt stärke. „Und warum hängen in der ganzen Schwieberdinger Straße Plakate einer Van-Gogh-Show, hinter der viel Wirtschaftskraft steckt? Eine Stadt, die ihre Kulturvielfalt lebt, könnte ermöglichen, dass dort lokale Akteure wie der Kunstverein dort genauso großflächig werben können.“