Wo gibt’s noch günstige Ferien? Foto: imago/Ralph Peters

Lange Zeit galt die Regel: Wer in letzter Minute bucht, der spart. In diesem Sommer ist das anders – woran liegt das? Und welche Möglichkeiten haben Schnäppchenjäger jetzt?

Wenn Nordrhein-Westfalen am 22. Juni als erstes Bundesland in die Sommerferien startet, dann werben Veranstalter und Reisebüros wieder mit Last-minute-Schnäppchen. So versuchen sie, Restplätze noch an den Mann und die Frau zu bringen. Doch wer auf super Angebote hofft, der könnte enttäuscht werden. Auch in diesem Sommer wird es zwar Reisen für Kurzentschlossene geben, schätzen Experten; wegen der hohen Nachfrage nach der Pandemie und geringerer Kapazitäten werden sie allerdings nicht viel günstiger sein als normal gebucht. Auch die Auswahl schrumpft.

Gestiegene Energie- und Personalkosten machen den Urlaub teurer

Wer kurzfristig noch buchen will, der muss deshalb sehr flexibel sein, was Urlaubsziel, Reisezeitraum und Unterkunft angeht. „Kurzfristangebote wird es immer geben, aber die Gleichung ,Last minute ist gleich Superschnäppchen‘ geht in diesem Jahr nicht ganz auf“, sagt Aage Dünhaupt von Deutschlands größtem Reiseveranstalter Tui. „Erstens, weil es sehr viele Frühbucher gibt.“ Das liege daran, dass sich die Menschen nach der Pandemie und in Zeiten des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nach Sicherheit sehnten. „Zweitens, weil die Hoteliers wissen, dass es derzeit immer jemanden gibt, der auch in letzter Minute noch einen guten Preis zahlt.“ Dazu kommt: Wie fast alles ist Urlaub teurer geworden. Das liegt unter anderem an den gestiegenen Energiepreisen und hohen Personalkosten.

Deutsche buchen schon fürs nächste Jahr

„Last-minute-Angebote müssen auch wirklich als günstig wahrgenommen werden“, sagt Jürgen Kagelmann, Diplom-Psychologe und Hochschuldozent für Gesundheitstourismus und Freizeitpsychologie. „Das wird durch die aktuelle Preissituation erschwert.“ Während der Pandemie waren Kurzfristangebote der Renner. Seit 2022 dreht sich der Trend wieder. Der Januar sei ein extrem buchungsstarker Monat gewesen und habe sogar die Zahlen aus dem Jahr 2019 übertroffen, heißt es vom Deutschen Reiseverband (DRV). Die Deutschen buchten bereits jetzt vielfach ihren Urlaub für den Herbst und sogar fürs nächste Jahr, so der DRV. Es zeige sich: „Die Zuversicht ist zurück.“

Wo es noch Restplätze gibt

Eng werden könnte es diesen Sommer zum Beispiel auf den griechischen Inseln und in Portugal. Beide Länder sind bei den Reiseanbietern sehr gut gebucht. In einigen Teilen Spaniens, insbesondere auf Mallorca, besteht wegen der großen Flugkapazitäten und aufgrund des umfangreichen Hotelangebots noch Aussicht auf Restplätze. „Aber man darf dort nicht wählerisch sein, denn die tollen Vier- und Fünf-Sterne-Hotels sind schon gut gebucht“, sagt Tui-Manager Dünhaupt. Italien werde aufgrund der Anreisemöglichkeit mit dem Auto gerne ebenfalls ad hoc gebucht, allerdings würden auch dort kurz vor Abreise eher höhere Preise als in der Vergangenheit erwartet.

Kapazitäten in Nordafrika

Bessere Chancen, noch ein gutes und günstiges Hotel zu finden, haben Kurzfristbucher in der Türkei. „Ganz einfach, weil das Angebotsvolumen dort größer ist“, sagt Dünhaupt. Auch in Ägypten, Tunesien und Marokko werde es noch Kapazitäten geben. Was so ein Last-minute-Urlaub im Nach-Pandemie-Jahr in den beliebtesten Reiseländern der Kunden kostet, hat jüngst das Urlaubsportal Holidaycheck untersucht.

Wer bei dem Internetanbieter im Mai für eine Familie mit Kindern über zwei Jahren gebucht hat, hat für eine einwöchige Reise zwischen Juni und September inklusive Flug, Hotel und Transfer durchschnittlich folgende Preise bezahlt: in der Türkei 113 Euro pro Tag und Person, in Ägypten 117 Euro, in Spanien 129 Euro und in Griechenland 147 Euro.

Bei Holidaycheck geht man auch nicht davon aus, dass die Preise zu den Sommerferien hin noch einmal sinken werden. „Im Gegenteil, momentan spricht alles dafür, dass sie steigen“, heißt es.

Südosteuropa ist günstiger

Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis gibt es dagegen in Osteuropa. „Für viele Reisende heißt es in diesem Jahr ‚go east‘, denn die Preise im Südosten Europas liegen niedriger als beispielsweise in Griechenland und Spanien“, sagt Carlo Speth vom Berliner Online-Portal Urlaubspiraten. Beliebt seien neben Kroatien auch Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Slowenien. Speth ist überzeugt: Wer flexibel sei, der werde auch weiterhin gute Last-minute-Angebote finden. Es gelte allerdings, antizyklisch zu buchen und auf eher unbekannte Destinationen auszuweichen.

In den klassischen Urlaubsregionen Deutschlands wie an der Nord- und Ostsee, an der Mecklenburgischen Seenplatte sowie in Bayern und Baden-Württemberg wird es nach Expertenmeinung dagegen eng werden, denn Deutschland ist in den Sommermonaten nicht erst seit der Pandemie gut gebucht. Dazu sind die Preise überproportional gestiegen. Am Mittelmeer bekommt man 2023 sicher mehr fürs Geld und dazu Sonnenscheingarantie, sind viele Experten überzeugt.

Tipp: Unter der Woche starten

Carlo Speth von Urlaubspiraten rät Sparern, beim Urlaub im eigenen Land auch nach Ferienhäusern oder Ferienwohnungen zu suchen. „Denn dort fallen die Preissteigerungen im Vergleich zum Hotel aufgrund des niedrigeren Personalkostenanteils geringer aus.“ Auch im eigenen Land sei das Ausweichen auf weniger touristische Ziele eine gute Möglichkeit, um zu sparen. „Brandenburg statt Bayern“, so Speths Devise.

Der DRV rät Urlaubern, die kurzfristig noch ein passendes Ziel für ihr Reisebudget suchen, gerade bei Flugreisen nach Abflügen unter der Woche zu suchen, denn die seien meist günstiger als am Wochenende. Auch wer nicht genau sieben oder 14 Tage verreise, sondern acht, zehn oder 15, der komme möglicherweise günstiger davon. Zudem seien All-inclusive-Angebote oft eine gute Wahl, denn manche Reisen seien vor allem deshalb billiger, weil die Veranstalter sie ohne Verpflegung und ohne Transfers anbieten. Sicher ist aber auch: Beim Frühbuchen lässt sich gerade mehr sparen als in letzter Minute. Denn, so Aage Dünhaupt von Tui: „Last minute ist derzeit keine Garantie für ein Schnäppchen.“