Die Medikamentenversorgung soll sicherer werden. Foto: stock.adobe.com/DenisIsmagilov

Auch in der kommenden Erkältungssaison sind bei vielen Arzneimitteln Engpässe zu befürchten. Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz fordern daher bessere Rahmenbedingungen für Hersteller und Apotheken.

Die Erkältungssaison rückt näher – und bei vielen Arzneimitteln drohen erneut Versorgungsengpässe. Nach Einschätzung des baden-württembergischen Gesundheitsministers Manfred Lucha (Grüne) ist die Situation sogar angespannter als im vergangenen Winter. Seinerzeit waren etwa Fiebersäfte für Kinder zeitweise kaum noch zu bekommen. Ende August hätten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits 513 Lieferengpassmeldungen vorgelegen, so der Minister, der aktuell der Gesundheitsministerkonferenz vorsteht. Im vergangenen Jahr habe diese Liste erst rund 200 Positionen umfasst.

„Gemeinsam mit dem Bund müssen wir jetzt ganz dringend an Lösungen arbeiten“, sagte Lucha, der sich zusammen mit seinen Amtskollegen aus Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz in München zu einer „Südschienen-Konferenz“ getroffen hatte. Dort wurden die Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz vom Juli bekräftigt. Kurzfristig fordern die Minister unter anderem mehr Möglichkeiten für Apotheken, flexibel auf kurzfristige Lieferengpässe zu reagieren. Bislang drohen den Pharmazeuten finanzielle Nachteile, wenn sie ersatzweise Arzneien abgeben, die nicht unter die Rabattverträge der jeweiligen Krankenkasse fallen, oder wenn sie selbst Präparate herstellen.

Länder wollen mehr Freiheiten

Grundsätzlich wollen die Länder künftig auch unabhängig von der Lage im Bund einen Versorgungsmangel in ihrer Region feststellen dürfen – und dann zum Beispiel selbst Hersteller mit der Produktion davon betroffener Arzneimittel beauftragen dürfen. Vor allem aber müsse die hohe Abhängigkeit von Lieferungen aus Drittstaaten verringert und die pharmazeutische Produktion in Deutschland und Europa gestärkt werden. Experten gehen allerdings davon aus, dass das höhere Produktionskosten und damit höhere Medikamentenpreise zur Folge hätte. „Es gilt, Forschung und Entwicklung zu erleichtern und Innovationen und neue Technologien in der Arzneimittelproduktion zu fördern“, sagte Lucha. Das sei vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung essenziell.

Neben einer sicheren Medikamentenversorgung geht es den Ministern ausdrücklich auch um die Stärkung heimischer Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten. „Der Süden ist das pharmazeutische Fundament für Deutschland. Fast die Hälfte – knapp 45 Prozent – der bundesweiten Bruttowertschöpfung in der Gesundheits- und Pflegewirtschaft entfällt auf unsere vier Bundesländer“, so Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Man müsse Gesundheit und Wirtschaft zusammendenken. Insgesamt zähle die Branche in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz mehr als 3,3 Millionen Beschäftigte. Die Herstellung von Medikamenten und Medizinprodukten zähle zur kritischen Infrastruktur. Einig sind sich die Gesundheitspolitiker auch in ihrer Forderung, Bürokratie und regulatorische Hürden abzubauen – beispielsweise mit Blick auf die klinische Forschung. So soll etwa ein leichterer Zugang zu Patientendaten zu Forschungszwecken die Entwicklung neuer Wirkstoffe erleichtern. Zudem sollten Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.

Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, dass den Ausgabenanstieg bei den gesetzlichen Kassen bremsen soll, geht den Ländervertretern stellenweise zu weit. „Dadurch ist viel Vertrauen bei den Unternehmen verloren gegangen“, sagte Holetschek.

Kritik am Sparkurs

Beim Sparen habe die Bundesregierung den Bogen überspannt, meinte auch Bayerns Wirtschaftsminister Huber Aiwanger (Freie Wähler). Er kritisierte ein „grundsätzliches Misstrauen“ gegenüber den Herstellern, die sich dadurch in die Schmuddelecke gestellt sähen. Der deutsche Markt werde für die Unternehmen der Branche immer unattraktiver. Gleichzeitig würden Patienten „lebensrettende Mittel“ vorenthalten. Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) wies indes darauf hin, dass die Finanzlage der Krankenkassen weiterhin sehr angespannt sei. Gleichzeitig gebe es die Forderung, die Beiträge im Rahmen zu halten. Bei der Suche nach Wegen aus diesem Zielkonflikt müssten alle Beteiligten mit einbezogen werden. An den Beratungen der Süd-Gesundheitsminister waren den Angaben zufolge auch Vertreter der Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten beteiligt.

Vor dem Hintergrund der Lieferprobleme bei vielen Arzneimitteln hatte der Bund im Juli ein Gesetz verabschiedet, das unter anderem höhere Vorratsmengen bei wichtigen Arzneimitteln vorsieht. Dieser Schritt gehe zwar in die richtige Richtung, ihm müssten aber weitere folgen, so die übereinstimmende Meinung der Länderminister.

„Der Dialog und Austausch lohnt sich, um Fehlentwicklungen bei der Arzneimittel- und Medizinprodukteversorgung gezielt anzugehen. Ich bin mir sicher, dieser Ansatz lohnt sich auch auf der Bundesebene“, betonte Manfred Lucha.