Am besten verstehen Kinder Kunst, wenn sie sie nachahmen. Foto: Midas/Reobert Sae-Heng

Ein neues Buch gibt Kindern praktische Tipps, wie man mit wenig Aufwand bedeutende Kunstwerke imitieren kann – und dabei noch eine Menge spielerisch lernt. Was taugt es?

Ein paar bunte Rechtecke? Ein kesses Krickelkrakel oder gar eine rabenschwarze Fläche – da denken nicht wenige Museumsbesucher: Das könnte ich auch! Wenn man dann allerdings ein weißes Blatt Papier oder, schlimmer noch, eine riesige leere Leinwand vor sich hat, merkt man erst, wie schwer es ist, eine Fläche zu füllen, wenn die zündende Idee fehlt. „Wer nichts imitieren will, produziert nichts“, meinte Salvador Dalí, denn natürlich haben auch die heute berühmten Künstlerinnen und Künstler sich von anderen inspirieren lassen.

Und das können Kinder nun auch tun mithilfe eines Buches aus dem schweizerischen Midas Verlag, das handfeste Tipps und Anleitungen gibt, wie man bedeutende Kunstwerke nachmacht – mit Pinsel und Farbe, Schere und Klebeband. 20 Projekte stehen zur Auswahl – Höhlenmalerei und abstrakte Kunst, Kirchenfenster und altägyptische Tierfigur.

Die Französin Joséphine Seblon ist Kunsthistorikerin, aber auch Mutter von zwei kleinen Kindern. Als sie mit denen malte, stellte sie fest, dass Kunst hervorragend geeignet ist, um die Kreativität zu fördern und nebenbei noch etwas über Kunst zu lernen und die motorischen Fertigkeiten zu schulen. Seblons Anleitungen haben ihre Kinder selbstverständlich mit entwickelt und erprobt. Hier eine Auswahl der Schritt-für-Schritt-Anleitungen hin zu Kunst – nach dem Motto: Das kann ich auch!

Eiszeitliche Höhlenmalerei

Pinsel hatten die Menschen nicht, die vor rund 17 000 Jahren im französischen Pech Merle in Höhlen lebten und die Wände bemalten. Wenn sie Tiere darstellten oder auch ihre Hände als Schablonen benutzten, kamen Röhrenknochen zum Einsatz. Kinder nehmen heute lieber eine (alte) Zahnbürste. Zunächst kann man aus Papier den Umriss eines Tieres ausschneiden und aufs Backpapier legen. Die eigene Hand kommt flach daneben – und mit der farbgetränkten Zahnbürste wird Farbe aufs Bild gespritzt. Die dicken Punkte auf dem Tierkörper werden dann noch mit den Fingerspitzen ergänzt.

Zubehör: Schüssel mit roter und brauner Wasserfarbe, Zahnbürste, Backpapier, Papier, Schere, Zeitung zum Unterlegen

Mittelalterliche Kirchenfenster

Wer schon mal in einer gotischen Kirche oder Kathedrale stand, der weiß, welch herrliches Farben- und Lichtspiel entsteht, wenn die Sonne durch die bunten Bleiglasfenster fällt. Solcherlei Lichtkunst lässt sich im Kleinen leicht nachmachen. Dazu wird auf den schwarzen Karton zunächst der typisch spitze Bogen eines gotischen Fensters gemalt, darunter ein Kreis – die sogenannte Rosette – und darunter drei hohe, oben abgerundete Fenster. Nun schneidet man die vier Fensterscheiben aus, legt Schnipsel des Seidenpapiers darüber und klebt sie am Rahmen fest. Wunder, oh Wunder! Wo sich die Papiere überlappen, entstehen auch neue Farben.

Zubehör: Schwarzer Karton, Seidenpapier in verschiedenen Farben, Bleistift, Schere, Kleber, Malerkrepp oder Klebepads

Bauhaus-Muster

Wer sich ein wenig für Kunst interessiert, der kommt am berühmten Bauhaus kaum vorbei. Vor rund 100 Jahren machte sich eine neue Generation von Kreativen auf, um praktische Gegenstände für den Alltag zu fertigen, die aber auch höchsten gestalterischen Ansprüchen genügen. Anni Albers war eine der berühmtesten Textilkünstlerinnen am Bauhaus und spielte bei ihren Stoffen und Wandbehängen raffiniert mit Farben. Das lässt sich mit etwas Geschick nachmachen.

Aus Tonpapier in verschiedenen Farben werden zwei Zentimeter breite Streifen geschnitten. Ein DIN-A4-Blatt dient als Webrahmen: Dazu faltet man es zunächst in der Hälfte und schneidet dann längs, also an der kurzen Seite Streifen. Aber Achtung: Man muss zwei Zentimeter vor dem Ende des Papiers aufhören zu schneiden. Nun werden die Streifen durch die parallelen Schlitze geschoben – abwechselnd oben- und untendurch. Die überstehenden Streifen werden schließlich umgeknickt und auf dem Rahmen festgeklebt – und am Schluss auch die beiden Lagen des Rahmens zusammengeklebt.

Zubehör: Farbiges Tonpapier DIN A4, Schere, Klebstoff

Abstrakte Skulptur

Was hat es eigentlich mit der Abstraktion auf sich? Die britische Bildhauerin Barbara Hepworth machte das deutlich – ganz ohne komplizierte Theorie. Ihre Objekte sind so schön und elegant, dass man die Rundungen nachfahren, die herrlich glatten Oberflächen spüren und durch die lustigen Löcher schauen will. Dass sie keinen Gegenstand oder Figur darstellte – völlig egal, es geht um die reine Form. Und die lässt sich leicht nachmachen mit einem Stück Seife.

Wer keine kinderfreundlichen Modellierwerkzeuge besitzt, nimmt einfach Kinderbesteck. Nun wird geschabt, geschält, gebohrt. Flacht man eine Seite ab, kann die Seifenskulptur aufrecht stehen. Ist ein Loch allerdings erst mal gebohrt, lässt es sich nicht mehr stopfen. Deshalb heißt es bei der Bildhauerei: vorsichtig herantasten. Wer es letztlich doch gern wieder erkennbar hat, kann aus dem Oval auch ein Gesicht herausmodellieren.

Zubehör: Ein großes Stück Seife, Kinderbesteck

Wenig Talent – große Wirkung

Als vor drei Jahren in Berlin eine große Ausstellung von Yayoi Kusama eröffnet wurde, war das Publikum begeistert. Denn die japanische Künstlerin nutzt ein einfaches Mittel, mit dem sie gigantische Wirkungen erzielt: Punkte. Ganze Räume hat sie schon mit Punkten überzogen, sodass es vor den Augen aufregend flirrt und flimmert. Daran sollte man denken – und nicht sofort loslegen, das gesamte Kinderzimmer mit Punkten zu bekleben, denn die können irgendwann auch lästig werden.

Deshalb fängt man am besten mit einem Pappkarton an. Die oberen Klappen werden abgeschnitten und der Rest mit weißem Papier beklebt. Und nun braucht man viele bunte Klebepunkte, die man außen und innen kreuz und quer verteilt. Und schon hat man eine fröhliche Kiste, um zum Beispiel Spielzeuge ins Regal zu räumen.

Zubehör: Pappkarton, Punkte-Sticker/Klebepunkte, Papier, Schere, Klebstoff

Info

Joséphine Seblon und Robert Sae-Heng (Illustration): „Kunst? Kann ich!“

20 Bastelideen für Kinder, Eltern und Erzieher, die von großen Kunstwerken inspiriert sind. Mit einfachen Schritt-für-Schritt-Anleitungen zum Nachmachen. Erschienen im Midas Verlag Zürich. 96 Seiten, Paperback, 18 Euro.