Valentine Gardiennet mag es farbenfroh. Foto: Gottfried Stoppel

Drei Frauen aus drei Ländern haben einen Monat lang in Waiblingen gelebt und gearbeitet – bei einem einzigartigen Stipendium. Was dabei herauskam, ist bis Oktober zu sehen.

Sie sprechen unterschiedliche Sprachen, unterhalten sich auf Englisch und sind zwischen 25 und 32 Jahre alt. Sie kommen aus Frankreich, Marokko und Deutschland. Sie sind neu in Waiblingen und wurden unter 109 Bewerbern für das bundesweit erstmals ausgeschriebene Papierkunststipendium ausgewählt.

Die Idee dafür geht auf das unerwartete Erbe von 550 000 Euro zurück, das der Eva-Mayr-Stihl von der Stuttgarterin Renate Reichert zuging. Ein zukunftsweisender Glücksfall für Waiblingen – und Freude, Herausforderung und Ansporn für die in Dijon geborene Französin Valentine Gardiennet, die aus Agadir stammende Marokkanerin Khadija el Abyad und Nele Hendrikje Sandner aus Radebeul in Sachsen.

Freundschaften sind entstanden

Was sie eint, ist ihre Affinität zum Material Papier, alle haben Papierkunst studiert, und jetzt auch die Liebe zu Waiblingen. Einvernehmlich sagen sie, dass sie „Waiblingen sehr genossen haben“. Sie haben zentral im Gästehaus Insel an der Rems gewohnt, teilweise gemeinsam in der Küche der Kunstschule gekocht und drei Wochen im Kameralamt, das ihnen als Atelier zur Verfügung gestellt worden war, gearbeitet. „Eine tolle Zeit“ sagen sie. Stolz auf das, was sie geschaffen und glücklich über das, was sie seit dem 1. Juli erlebt haben. Freundschaft ist entstanden, es haben sich neue Horizonte aufgetan und interessante Aspekte ergeben – auch im Austausch mit der Hauptstipendiatin Katrin Ströbel, die Freie Grafik an der Kunstakademie Stuttgart lehrt. Sie arbeitete im Juli parallel in den Räumen der Galerie Stihl.

Die Galerie Stihl beschäftigt sich zurzeit ausschließlich mit Papierkunst. Jetzt hat die Auseinandersetzung damit durch das Stipendium eine neue Dimension bekommen. Der künstlerische Prozess zum Kunstwerk konnte in Echtzeit verfolgt werden. Die drei Stipendiatinnen könnten unterschiedlicher in ihrer Adaption und Annäherung an das Material Papier nicht sein. Nele Hendrikje Sandner hat rechteckige Formate, groß wie Menschen, gewählt und Papier geschöpft. Die Oberfläche ist grob, die Farben Grau, erdiges Beige und Rosa sind zurückhaltend, die runden Objekte eine Hinführung zum Figürlichen. „Ich habe ein Faible für Pastelltöne“, sagt die Künstlerin. Für eine mehrteilige Wandcollage hat sie sich von einem Spalt in einem Balken im Kameralamt inspirieren lassen. Dass Valentine Gardiennet nicht nur Comics, sondern auch Farben über alles liebt, ist nicht zu übersehen. Man blickt beim Betreten des Kameralamts auf eine bunte Gesellschaft skurriler Gesichter, die sie in eine große Wolke aus Papier gemalt und an die Stirnwand gehängt hat. Kein einziger Mann sei darunter, das ist ihr wichtig. Sie habe alle Farben, die in der Box mit Malstiften gewesen seien, verwendet und aufgebraucht. Hautfarben war nicht dabei, ihre Figuren haben grüne, orangefarbene und himmelblaue Gesichter. „I love colours.“ Weiß gehöre nicht dazu, erklärt sie, dass ihr bei der Darstellung der Figuren Augen und Lippen ganz besonders wichtig seien.

Das Stipendium wird künftig regelmäßig ausgeschrieben

Der Kontrast zu den filigranen Werken von Khadija el Abyad, sie hängen daneben, ist extrem, aber nicht unangenehm. Schwarz auf weiß, ganz zart die Linien und doch mächtig und massig in der Häufung, so ist deren Kunst. Sie arbeitet mit dunklem Echt- und Kunsthaar, peitscht damit auf Papier ein und kommt so zu eindrucksvollen, grafischen Mustern. Oder sie nutzt die Haare, um sie in Papier einzuarbeiten beziehungsweise durch kleinste Perforierungen ins Papier einzufädeln oder daraus dreidimensionale Geflechte zu konstruieren.

Dis Ausstellung mit den faszinierenden Techniken wird noch bis 8. Oktober gezeigt. Das Stipendium soll künftig alle zwei Jahre ausgeschrieben werden, von der Stadt Waiblingen, der Eva-Mayr-Stihl-Stiftung und der Galerie Stihl.