Außenministerin Annalena Baerbock stößt mit ihrer sehr weit gehenden Unterstützung Israels auf Widerstand. Foto: dpa/Virginia Mayo

Die EU findet bei einem Treffen der Außenminister in Luxemburg keine gemeinsame Linie zum Krieg in Nahost. Das veranlasst Luxemburgs Vertreter zu einer brutalen politischen Analyse.

Die Worte von José Manuel Albares klingen fast wie ein Flehen. Europa müsse angesichts des Krieges im Nahen Osten „mit einer Stimme sprechen“, forderte der spanische Außenminister am Rande eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg. Doch davon ist die Union weit entfernt. Im Gegenteil: deutlich wurde, wie tief der Riss ist, der sich bei dieser Frage durch die EU zieht.

So betonte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock erneut das legitime Recht Israels auf Selbstverteidigung gegenüber der Terrororganisation Hamas. Zugleich bewertet sie die Forderungen nach einer humanitären Feuerpause im Nahen Osten äußerst zurückhaltend. Ins Gespräch gebracht wurde diese Möglichkeit am Wochenende von UN-Generalsekretär António Guterres. Unterstützt wird sie vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der in Luxemburg sagte: „Persönlich denke ich, dass eine humanitäre Feuerpause nötig ist, damit die humanitäre Hilfe hereinkommen und verteilt werden kann.“

EU versucht die „Quadratur des Kreises“

Baerbock konterte, dass es sich bei solch einer Feuerpause um die „Quadratur des Kreises“ handeln würde. „Wir können die humanitäre Katastrophe nicht eindämmen, wenn der Terrorismus von Gaza so weiter geht“, sagte sie und bezog sich damit auf den ständigen Raketenbeschuss der radikalislamischen Hamas auf Israel. Es werde dann „keine Sicherheit und keinen Frieden weder für Israel noch die Palästinenser geben“.

Die im Gazastreifen herrschende Hamas hatte am 7. Oktober einen Großangriff auf Israel gestartet und dabei nach Regierungsangaben etwa 1400 Menschen getötet. Zudem verschleppten die schwer bewaffneten Islamisten mehr als 200 Menschen als Geiseln, darunter auch deutsche Staatsbürger. Als Reaktion auf den Überfall riegelte Israel den Gazastreifen ab und startete massive Luftangriffe.

Gestritten wird an der Spitze der EU

Der Streit um die diplomatische Positionierung Europas war in der EU-Spitze unmittelbar nach dem Terrorüberfall ausgebrochen. So warfen der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und EU-Ratspräsident Charles Michel der EU-Kommission von Ursula von der Leyen vor, mit einem zu israelfreundlichen Kurs den Interessen der Europäischen Union in der Region zu schaden und Spannungen und Hass zu verschärfen. Ausgetragen wurde die Auseinandersetzung öffentlich auf dem Nachrichtendienst X (ehemals Twitter).

Auch die deutliche Positionierung der deutschen Außenministerin in Luxemburg gefiel nicht jedem Teilnehmer an dem Treffen. Baerbock betonte, dass die Hamas „einen Keil des Hasses“ in die Gesellschaft treiben wolle. Das gelte nicht nur für den Nahen Osten. „Hamas will auch in unseren Gesellschaften, in Europa, Hass und Antisemitismus den Weg brechen.“ Die Außenministerin verwies auf Demonstrationen in europäischen Städten, bei denen Parolen skandiert würden, „die nichts mehr mit Mitgefühl an dem echten Leid von Frauen und Kindern in Gaza zu tun haben, sondern die Existenz Israels in Frage stellen und zu Gewalt an Jüdinnen und Juden aufrufen“. Diesem Antisemitismus „müssen wir uns als Gesellschaft entgegenstellen“, forderte Baerbock.

Spanien versucht vergeblich zu vermitteln

Spanien versuchte in der Rolle der Ratspräsidentschaft zu vermitteln. Es sei nur möglich einen Beitrag zur Deeskalation in diesem blutigen Konflikt zu leisten, wenn sich alle EU-Staaten auf eine Position einigen würden, hieß es am Montag. Ganz generell gehe es um den Anspruch der EU, auch auf internationaler Ebene eine Rolle als Brückenbauer und Friedensstifter zu besetzen.

Eine geradezu brutale Analyse der Lage

Mit einer geradezu ernüchternden Brutalität beurteilte allerdings der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn die Rolle der EU in diesem Konflikt. Sie werde bei den Vermittlungsbemühungen kein entscheidendes Wort mitreden können. Einziger relevanter Ansprechpartner für alle Seiten seien die USA, urteilte Asselborn in Luxemburg aus seiner jahrelangen Erfahrung als Diplomat. Grund dafür sei vor allem, dass sich Europa zu den Lösungsvorschlägen für den Nahost-Konflikt – etwa die Gründung eines eigenen Palästinenserstaates auf der Basis der Grenzen von 1967 – nie wirklich positioniert habe. „Wir waren in den letzten Jahren nicht mehr imstande, das auf ein Blatt Papier zu schreiben. Wir hatten keine Position mehr in der Europäischen Union dazu“, kritisierte Asselborn. Man sei deswegen nicht „Player“ (Spieler), sondern „Payer“ (Zahlender).