König Charles, links Queen Camilla, hat vor einigen Tagen seine Krebsdiagnose öffentlich gemacht. Foto: AFP/HENRY NICHOLLS

Das britische Königshaus geht offen mit der Krebserkrankung von König Charles um. Kulturwissenschaftler Dietmar Böhnke erläutert, woran man eine gute Krisenkommunikation erkennt und wie groß Charles’ politische Macht wirklich ist.

Dietmar Böhnke forscht als Anglist und Kulturwissenschaftler an der Universität Leipzig. Er beschäftigt sich wissenschaftlich mit den britischen Medien und der britischen Literatur- und Kulturgeschichte. Im Interview spricht er über die Folgen von König Charles Krebserkrankung für das Königshaus, die Medienpolitik der Royals und die Lehren aus der tiefsten Krise der Monarchie vor 25 Jahren.

Herr Böhnke, was bedeutet die Krebserkrankung von König Charles für die britische Monarchie?

Als König Charles den Thron von seiner Mutter Königin Elisabeth übernommen hat, gab es in Anbetracht seines Alters bereits gewisse Vorbehalte gegen in ihn. Vor seiner Krönung gab es durchaus Stimmen, die sich dafür stark gemacht haben, dass Prinz William den Thron übernimmt. Würde Charles länger ausfallen oder schwer erkranken, würden solche Stimmen wieder stärker werden. Was ein Wechsel für die Monarchie bedeuten würde, ist schwer abzusehen. Einerseits sprechen William und Cate hohen Beliebtheitswerte dafür, dass die Monarchie nicht an Popularität einbüßen würde. Andererseits kann man seit längerer Zeit bei der jüngeren Generation eine wachsende Skepsis gegenüber der Monarchie beobachten. Eine schnelle Abdankung des Königs könnte diesen Trend verstärken. Meine Prognose ist, dass die Monarchie in der nahen Zukunft nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird.

Hat Sie der offene Umgang des Königshauses mit Charles Erkrankung erstaunt?

Es stimmt, dass Krankheiten unter Königin Elisabeth nahezu ein Tabuthema waren. Aber die derzeitige Kommunikation des Königshauses passt zu dem Bild, das die Monarchie und ihre Medienberater seit geraumer Zeit von König Charles zeichnen. Das Königshaus verfügt seit einigen Jahren über sehr gute Kommunikationsberater. Man hat aus der großen Krise der Monarchie nach dem Tod Dianas im Jahre 1997 gelernt. Die Zurückhaltung der Königin und die mangelnde Kommunikation hat dem Königshaus damals sehr geschadet. Seitdem bemühen sich Charles Berater, ihn moderner und volksnäher erscheinen zu lassen. Ein gutes Beispiel ist die Hochzeit mit Camilla, die bis zu diesem Zeitpunkt sehr unbeliebt war. Es ist dem Königshaus aber gelungen, ihr Image in kurzer Zeit zu verbessern. Sie ist inzwischen hoch angesehen und wird jetzt wahrscheinlich auch eine wichtigere Rolle einnehmen müssen. Ein weiteres Beispiel ist die Krönung, die weniger pompös und inklusiver gestaltet werden sollte. Auch Charles Engagement für die Umwelt hilft dabei, die Monarchie moderner erscheinen zu lassen.

Die Bekanntmachung von Charles Erkrankung folgt Ihrer Einschätzung nach also in erster Linie einem medienpolitischen Kalkül?

Ich will Charles nicht absprechen, dass ihm der Umweltschutz oder eine stärkere gesellschaftliche Akzeptanz von Erkrankungen tatsächlich am Herzen liegen. Allerdings müssen wir uns bewusst sein, dass wir es bei dem, was wir über Charles wissen, mit einem Bild zu tun haben, das bewusst gezeichnet wird. Die Medienmacht der Royals war schon immer ihre eigentliche Macht. Schon im 16. Jahrhundert hat Elisabeth I. mit Gemälden bewusst ihr Erscheinungsbild gesteuert. In der jüngeren Geschichte sind besonders die Radioansprachen von George V. in Erinnerung geblieben. Die 1960er Jahre markieren einen Umbruch dahingehend, dass zum ersten Mal Einblicke ins Privatleben der royalen Familie gewährt wurden. Seit den 2000er Jahren hat sich das Medienmanagement der Königshauses noch einmal stark professionalisiert. Vor diesem Hintergrund kann man auch diverse Filme und Serien wie „The Crown“ betrachten, die die Monarchie größtenteils sehr positiv darstellen. Auch wenn nicht unbedingt davon auszugehen ist, dass das Management des Königshauses seine Finger dabei im Spiel hatte, ist ein indirekter Einfluss nicht von der Hand zu weisen.

Wie kommt es, dass das Königshaus bei Herzogin Kates Operation im Februar weniger auskunftsfreudig ist als bei Charles jetziger Erkrankung?

Es wurden selektiv Informationen preisgegeben, gleichzeitig blieb eine gewisse Privatsphäre gewahrt. Eine zu große Geheimniskrämerei befeuert nur die Gerüchteküche. Dass nicht mehr persönliche Details nach außen sickerten zeigt, wie professionell das Medienmanagement des Königshauses agiert.

Dietmar Böhnke ist Anglist und lehrt an der Universität Leipzig. /Anke Steinberg

Wie würden Sie das gegenwärtige Verhältnis von Medien und Königshaus beschreiben?

Die Abhängigkeit ist wechselseitig. Das Königshaus nutzt die Medien, um sich als volksnah zu inszenieren und so seine Macht zu stärken. Es zeichnet sich ab, dass es auch die jetzige Krise medial für sich nutzen will, beispielsweise durch Hinweise auf eine mögliche Versöhnung von Prinz Harry und Prinz William. Es fällt auf, dass die Medien mit wenigen Ausnahmen wie dem „Guardian“ sehr unkritisch über das Königshaus berichten. Wir dürfen nicht vergessen, dass Charles ein sehr reicher Mann ist, der viel Geld in Steueroasen geparkt hat, wie die Enthüllungen rund um die Panama Papers gezeigt haben. Selbst die BBC berichtet im Allgemeinen sehr wohlwollend über das Königshaus. Bei der Berichterstattung rund um Charles Krönung etwa wurden heikle Themen wie die koloniale Vergangenheit kaum angesprochen.

Was unterscheidet das britische Königshaus von anderen europäischen Königshäusern?

Zum einen gibt es in Großbritannien besonders enge persönliche Verbindungen zwischen dem Adel und der politischen Elite. Zum anderen ist der britische König stärker ins politische Tagesgeschäft eingebunden als die Monarchen anderer Länder. Es ist davon auszugehen, dass das Königshaus seine politischen Einflussmöglichkeiten durchaus zu nutzen weiß. Königin Elisabeth war nur sehr geschickt darin, ihre politischen Ansichten zu verbergen. Charles löste hingegen durch Briefe, die er in seiner Zeit als Prince of Wales an verschiedene hochrangige Politiker schrieb und die als „Black-Spider-Memos“ bekannt wurden, einen Skandal aus . Es ist davon auszugehen, dass er in seinen wöchentlichen Gesprächen mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak durchaus zu politischen Fragen Stellung nimmt und seinen Einfluss geltend macht.