Der weltweite Tourismus trägt zum Klimawandel bei, daher muss sich das Verhalten der Urlauber ändern. Zuhause bleiben ist aber keine Lösung.
Krise, Kaufkrafteinbußen und Konjunkturflaute – davon lassen sich viele Deutsche den Urlaub offenbar nicht vermiesen. Ausbrechen aus der Routine, Abstand vom Alltag, fremde Kulturen kennenlernen, Erinnerungen schaffen, die einem nie wieder genommen werden können. Es gibt zahlreiche gute Gründe für das Reisen. Das wichtigste Argument jedoch dagegen: Wer irgendwo hinfliegt und in einem klimatisierten Zimmer schläft, setzt jeden Menge Kohlendioxid frei. Der weltweite Tourismus trägt mit einem Ausstoß von acht Prozent aller Treibhausgase zur Erderwärmung bei. Die Reisebranche, die sich in dieser ersten Märzwoche auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin trifft, muss sich wichtigen Problemen stellen.
Doch was wäre, wenn jeder seinen Radius zum Wohle des Klimas verkleinert? Für Deutschland gedacht hieße das Ferien in Buxtehude statt Bangkok, Sankt Peter Ording statt San Francisco, Kap Arkona statt Kapstadt. Es würde eine Menge Kohlendioxid eingespart, dieses Konzept hätte allerdings andere schlimme Folgen.
Die Coronakrise hat es eindrücklich gezeigt: Millionen Menschen weltweit sind vom Tourismus abhängig. Diese Leute müssten in einem solchen Fall auf andere Weise ihren Lebensunterhalt verdienen, wenn die Reisenden von heute auf morgen komplett ausblieben. In der Verzweiflung könnten unschöne Dinge geschehen: Wo keine Ranger mehr dafür bezahlt würden, geschützte Tiere zu hegen, hätten Wilderer freie Bahn. Im Regenwald würde mehr abgeholzt denn je, illegale Geschäfte wie Drogenhandel würden boomen. Wenn es keine Arbeitsplätze mehr gäbe, wanderten Menschen massenhaft ab. Die Folgen: Dörfer würden verlassen, Kulturlandschaften verschwinden.
Die Weltanschauung derer, die die Welt nicht anschauen, ist gefährlich
Reisen liegt in der Natur des Menschen. Der Homo sapiens war schon immer gerne unterwegs, nur dass die Völkerwanderung von heute Sommerferien heißt. Wenn unterschiedliche Kulturen sich nicht mehr begegnen, tauschen sie sich auch nicht mehr aus. Die Weltanschauung derer, die die Welt nicht anschauen, ist gefährlich. Reisen hingegen bildet. Es sei „tödlich für Vorurteile, Bigotterie und Engstirnigkeit“, soll es der sehr reiselustige US-amerikanische Schriftsteller Mark Twain auf den Punkt gebracht haben.
Wer reisen möchte, schmiedet unzählige Pläne, wälzt die verschiedensten Reiseführer, klickt sich durch kunterbunte Tourismusportale. Die individuelle Vorbereitung kann vielleicht sogar Monate dauern. Das lenkt ab von Krisen, Kriegen und Katastrophen. Leider hat noch keine Wissenschaftlerin und kein Wissenschaftler errechnet, wie groß eigentlich der Anteil der Urlaubsvorfreude an der mentalen Gesundheit des Einzelnen ist. Es wäre interessant zu wissen.
Fernweh jedenfalls ist eine Krankheit, die unbedingt kuriert werden muss. Doch die Heilung darf nicht mit allen Mitteln herbeigeführt werden, sondern hier ist Bedacht gefragt. So müssen Touristen ihr Konsumverhalten nicht völlig einstellen, aber ändern. Einige Beispiele: lieber nur eine große Reise als viele kleine im Jahr. Innerhalb Europas kann man die Bahn nutzen. Nur wo kein Zug hinfährt, ist auch das Flugzeug eine Option. Wer lokale Unterkünfte, Restaurants und Fremdenführer wählt, hilft den Einheimischen. Selbst große Reiseveranstalter haben heute nachhaltige Pauschalreisen im Programm.
Eine indische Umweltorganisation hat den Begriff des „Handabdrucks“ geprägt. Im Gegensatz zum ökologischen Fußabdruck, der den Schaden beziffert, den man anrichtet, geht es hier um den positiven Beitrag. Reisen mit möglichst großem Handabdruck ist das Gebot der Stunde.