Yannick, Susen, Evita und Guilia (von links) sind begeistert dabei, wenn Jana Schick fürs Klinikradio zur Aufnahme bittet. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Im Olgahospital gibt es ein Klinikradio, bei dem kranke Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, selbst Radio zu machen. Wie sie in kurzer Zeit ihre Krankheit und den Klinikaufenthalt vergessen, zeigt ein Besuch im Studio.

Evita ist ein bisschen aufgeregt. Die 15-Jährige ist Patientin im Olgahospital. Allerdings steht heute keine Behandlung oder therapeutische Sitzung an, sondern sie macht zum ersten Mal beim Kinderradio Rio mit. Neben ihr sitzen Yannick, Susen und Giulia, die ebenfalls zum ersten Mal im lichtdurchfluteten Radiostudio sind. Vor ihnen befinden sich große, runde Mikrofone mit schwarzen, weichen Stoffüberzügen. Auf dem Kopf haben die Radioneulinge große Kopfhörer, im Hintergrund läuft ein Lied von Lady Gaga. Am Tisch gegenüber sitzt Moderatorin Jana Schick vor zwei großen Bildschirmen und hat ihre Finger am Mischpult: „So, sprecht doch alle mal kurz ins Mikro vor euch. Hört ihr mich? Und hört ihr eure eigene Stimme?“, fragt die 25-Jährige. „Ja, das klingt so komisch“, ruft Giulia. Auch Evita, Yannick und Susen schauen verdutzt als sie ihre Stimme hören. „Ja, es ist immer etwas seltsam, wenn man das erste Mal seine eigene Stimme über ein Mikro hört“, sagt Schick, „aber daran gewöhnt ihr euch schnell.“

Und da erklingen auch schon die letzten Akkorde von Lady Gagas ‚Poker Face‘ und die Fünf sind live auf Sendung. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde geht es weiter mit Musik und in dieser Pause versucht Moderatorin Jana etwas mehr über ihre Studiogäste herauszufinden. Yannick geht gerne Ski fahren, Evita tanzt, Susen spielt Klavier und Giulia hat früher viel Gymnastik gemacht. „Super, da haben wir schon genug Gesprächsstoff für die nächste Talk-Pause“, sagt Jana. Und so gestaltet sich die kommende halbe Stunde wie von allein. Zwischen Songs von Wincent Weiss und Eminem unterhalten sich die Jugendlichen und die Moderatorin. Es geht um Hobbies, Musikgeschmack und Lieblingskünstler. Man merkt sofort wie Yannick, Evita, Susen und Giulia sich mit der Zeit öffnen, immer mehr erzählen und viel lachen.

Mikrofon an, Klinikalltag aus

Die stellvertretende Stationsleiterin Yvonne Zotter ist heute ebenfalls zum ersten Mal mit im Studio und schaut ihren Patienten zu: „So losgelöst habe ich die Vier auf der Station bisher nicht erlebt“, sagt Zotter gerührt, „es wirkt, wie wenn sie das Päckchen, das sie tragen, draußen vor der Tür abgelegt haben und hier frei und entspannt sein können.“ Dass die Jugendlichen im Studio auf andere Gedanken kommen, ist ein Ziel von Jana Schick: „Mir ist es wichtig, dass es hier im Studio nicht um Krankheit geht“, sagt die Moderatorin. „Die Kinder und Jugendlichen dürfen gerne davon erzählen, aber in 90 Prozent der Fälle vergessen sie hier mal alles.“

Was bei den jungen Patienten besonders gut ankommt: Lieblingslieder wünschen. Diese können immer in der Woche zuvor eingereicht werden. „Da war schon alles dabei: Aktuelle Chartsongs oder auch ‚Pack die Badehose ein‘“, erinnert sich Jana. Bei den Radiomachern, die heute im Studio sind, ist aber eine andere Jahreszeit erwünscht: „Lass uns einen Weihnachtssong spielen“, ruft Giulia. Susen und Evita sind Feuer und Flamme. Nur Yannick kann mit Weihnachtssongs nichts anfangen: „Die hört man im Dezember, aber doch nicht im Oktober“, ruft er empört. Moderatorin Jana findet einen Kompromiss. Zuerst wird ‚All I want for Christmas is you‘ gespielt, danach darf sich Yannick was wünschen. „Dann gerne etwas Altes, von Michael Jackson zum Beispiel“, sagt der Zwölfjährige. Und so singen und tanzen die Mädchen erst lauthals zu Mariah Carey mit, und bei ‚They don’t really care about us‘ kann auch Yannick nicht mehr stillsitzen.

Klinikradio – aber für Kinder!

Das Klinikradio Rio (Radio im Olgahospital) gibt es seit 2008. Damals hatte der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Träger von Radio Rio, die Idee ein Klinikradio für Erwachsene zu schaffen. „Ein damaliger Stationsleiter meinte dann aber, ob auch ein Teil des Programms für Kinder gemacht wird. Und das hat uns zum Nachdenken gebracht“, sagt Hina Marquart, Pressesprecherin des Verbandes. So entstand schnell ein medienpädagogisches Projekt als Freizeitangebot für die Kinder. Finanzielle Unterstützung gab es damals von der SWR-Herzenssache. Seit 2013 ist der Radiosender Antenne1 Partner des Klinikradios, ohne den es laut Hina Marquart auch nicht mehr gehen würde: „Dank der Volontäre von Antenne1 haben wir super fachkundige Unterstützung, ohne die wir das Klinikradio nicht anbieten könnten.“ Das Klinikradio läuft nur im Olgahospital und kann von jedem Patienten ganz bequem im Bett gehört werden.

Mit der Lieblingsmusik zurück in den Klinikalltag

Zum Schluss hat Giulia noch einen Musikwunsch, einen Song von Billie Eilish, die für ihre melancholischen und auch traurigen Lieder bekannt ist. „Ich mag einfach so gerne, dass sie ehrliche Musik macht und über das wahre Leben singt. Und Gefühle ausdrückt, die ich nicht ausdrücken kann“, sagt Giulia. Evita grüßt noch mal alle Zuhörer und hat eine Nachricht für sie: „Bitte denkt immer daran, Lachen macht gesund.“ Und Susen wünscht sich ein Lied ihres Lieblingssängers Wincent Weiss. Und während dieser singt ‚Es wäre schön blöd nicht an Wunder zu glauben‘ geht es für Evita, Yannick, Susen und Giulia wieder zurück in den Klinikalltag. In dem sie, dank Radio Rio, vielleicht wieder ein bisschen mehr an Wunder glauben.

Lob für das Engagement der jungen Radiomacher