Manuel Sengenberger weiß: Kalt muss die Milch vor dem Aufschäumen sein und dann nicht wärmer als 70 Grad. Foto: Simon Granville

Der Barista Manuel Sengenberger gibt Kurse in Latte Art. Der 38-jährige Ludwigsburger zaubert sekundenschnell Tiere, Blumen und Fantasiemotive auf den Milchschaum.

Wer den Begriff „Latte Art“ bei Google eingibt, landet bei unglaublichen 141 Millionen Treffern. Allein acht Millionen verschiedene Videos können angeschaut werden. Barista-Hobbykünstler und Profis erklären in den Tutorials, wie man auch in den eigenen vier Wänden die Milchkunst erlernen kann.

Dass man es kann, das beweist Manuel Sengenberger. Seit etwas mehr als fünf Jahren betreibt er mit seiner Frau Kirstin das Café Bønne, nur einen Sprung von der Ludwigsburger Stadtkirche entfernt, und zelebriert dort die flüchtige Kunst des Schaummalens. Kein Kaffee geht bei ihnen ohne Gemälde zum Gast. Wenn’s schnell gehen muss, ist es in der Regel eine Tulpe oder eine Rosetta, wenn mal mehr Zeit bleibt, dann entstehen komplexere Kunstwerke.

Das Auge trinkt mit

Das erste Mal bewusst auf Latte Art gestoßen ist der Restaurantfachmann in Kitzbühel. Als dann der eigene Schwager, der vor einem halben Jahr das Café Lille Bønne in Backnang eröffnet hat, mit der Milchmalerei begann und regelmäßig Fotos schickte, war der Ehrgeiz geweckt. „Bevor ich ein Café aufmache, wollte ich das auch können“, erinnert sich Sengenberger. Denn: Die Qualität des Kaffees ist das Wichtigste, aber das Auge trinkt mit – davon ist er überzeugt.

„Das, was ich kann, habe ich mir mit Youtube-Videos beigebracht“, erzählt der Gastronom. Und inzwischen gibt er sein Wissen nicht nur an neue Mitarbeiter weiter, sondern auch an Hobby-Baristas. Vor zwei Jahren begann er mit Kursen. Zwei Stunden lang lernen Kaffeeliebhaber, wie sie Milchmaler werden. Die Nachfrage ist groß. „Wir bieten die Kurse inzwischen drei Mal im Monat an. Bis Juni sind wir ausgebucht“, sagt der 38-Jährige, der es mit seiner Kunst auch schon ins Fernsehen geschafft hat.

Was braucht es, um Adler, Elefanten und Schwäne auf den Kaffee zu zaubern? „Das Wichtigste ist eine Siebträgermaschine“, betont Sengenberger. Von kleinen elektrischen Handmixern oder Milchaufschäumern hält der Profi nicht viel.„Nach dem Aufschäumen muss die Milch eine Konsistenz wie flüssige Sahne haben. Die Struktur ist extrem sensibel. Das kriegst du damit nicht hin.“

Mit diesen Tipps gelingt der Milchschaum

Relativ nebensächlich sei hingegen, welche Milch man verwendet. „Ich war anfangs der Ansicht, dass der Eiweißgehalt eine Rolle spielt, aber zusammen mit einem Lebensmitteltechniker bin ich zu dem Schluss gekommen, dass das nicht stimmt“, sagt der Ludwigsburger. Jede Milch sei individuell, und auf jede müsse man sich einstellen. Egal ob Soja, Hafer oder Kuhmilch – kalt muss sie auf jeden Fall sein. Denn nur dann hat sie genug Zeit zum Schäumen.

Vor dem Eingießen in die schräg gehaltene Tasse darf sie wiederum jedoch nicht heißer als 63 bis 70 Grad sein. Mit der Zeit erfühlt man die richtige Temperatur von selbst, anfangs kann aber auch ein spezielles Thermometer in das Milchkännchen gehängt werden. Ist die Milch zu heiß, karamellisiert der Milchzucker. „Und dann glaubt man, der Kaffee schmeckt bitter, aber es ist die Milch“, erklärt Sengenberger. Apropos eingießen. Das flüssige Gold wird in kreisenden Bewegungen auf den Kaffee gegossen. „Damit bauen wir das Fundament auf. Würden wir es nur in die Mitte leeren, wäre am Ende die Oberfläche weiß und wir brauchen für die Figuren ja den Kontrast.“

Dann sollte es schnell gehen, denn schon nach 30 Sekunden trennen sich die heiße Milch und der Schaum, und jegliche Latte-Art-Träume platzen. Mit dem Ausguss des Kännchens werden in kleinen, gezielten Schüttbewegungen die Muster aufgesetzt und gegebenenfalls mit einer Nadel – Sengenberger nutzt dafür einen kleinen Eispickel – vervollkommnet. Et Voilà – fertig ist das Kunstwerk.

Wo kommt Latte Art her?

Quelle
Der Ursprung der Latte Art ist nicht zu verifizieren. Mutmaßlich wurde der Hype um die Technik von einem in Verona lebenden Italiener namens Pierangelo Merlo ausgelöst. Bei der täglichen Zubereitung des Cappuccinos soll er entdeckt haben, dass durch das Aufgießen von aufgeschäumter Milch auf den Espresso Formen wie Herzen, Blätter und Äpfel entstehen.

Wettbewerbe
Es gibt sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene Latte Art Meisterschaften. Der Weltmeistertitel 2022 ging vergangenen Juni an eine Italienerin – in ihrem Heimatland. Ein Deutscher schaffte es bei dem Wettbewerb immerhin ins Halbfinale.