Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal in Ingolstadt geführt. Foto: Cornelia Hammer/dpa/Cornelia Hammer

Im Doppelgängerinnen-Prozess in Ingolstadt sagt der Freund der Ermordeten aus. Er kannte auch die beiden Angeklagten. Die Wunderlichkeiten mehren sich.

Aber ja, „sie war ein nettes Mädchen, immer hilfsbereit“, erinnert sich F. Y. an seine Freundin Khadidja O. In den zwei Monaten ihrer Beziehung haben sie sich zweimal an verlängerten Wochenenden gesehen, einmal bei ihr in Eppingen nahe Heilbronn, einmal bei ihm in Ingolstadt. Aber täglich haben sie telefoniert und geschrieben. Zum Beispiel „Wir lieben uns“, meint Y. Doch am 16. August 2022 wurde die Beziehung jäh beendet – Khadidja O. wurde ermordet. 

Deshalb muss Y., mittlerweile 25 Jahre alt, jetzt als Zeuge Auskunft geben vor dem Ingolstädter Landgericht. Auf den Stühlen der Angeklagten sitzen Schahraban Kh.-B. (24) und ihr mutmaßlicher Kumpane Sheqir K. (25). Sie sollen laut Staatsanwaltschaft den von Kh.-B. irrwitzig erscheinenden Plan umgesetzt haben, eine Doppelgängerin von ihr umzubringen – damit Kh.-B. als tot gilt, untertauchen und irgendwo ein neues Leben beginnen kann jenseits ihrer jesidischen Familie und ihres damaligen Verlobten. 

Die Aussagen von Herrn Y. sind schwammig, widersprüchlich

Wie war das Leben des Opfers? Was wusste der Zeuge Y. von seiner Freundin, wie hat er von dem Mord erfahren? Y. sagt schon zu Beginn, dass er „psychisch angeschlagen“ sei. Er erzählt, dass O. plötzlich verschwunden war, dass er sich Sorgen gemacht und eine Vermisstenanzeige aufgegeben hat. Dann machte die Nachricht die Runde, dass in Ingolstadt ein ermordetes „Mädchen“, wie er sagt, in einem Auto gefunden wurde. Bald darauf war klar: Es war Khadidja O., seine Freundin. „Ich war im Schockzustand.“ 

Doch Y. kann vor Gericht nicht viel erzählen, seine Aussagen bleiben völlig schwammig, teils widersprüchlich. „Weiß nicht“, sagt er immer wieder, „kann mich nicht mehr erinnern.“ Vor allem ist Y., der beim Edeka im Münchner Norden arbeitet, wütend und verhält sich aggressiv. Das ist, nun ja, mehr als verständlich, wenn die Freundin auf brutalste Art mit 56 Messerstichen regelrecht niedergemetzelt wurde. 

Als ein Verteidiger von Kh.-B. ihn befragen will, sagt er: „Muss ich dem antworten?“ Er muss, wird er vom Richter belehrt. Über die Anwälte sagt er: „Die unterstützen doch Mörder.“ Kh.-O. beschimpft er als „überall hässlich“ und beleidigt sie mit dem Vulgärbegriff  „V. . .“. Sein Ton wird so laut, dass sich zwei Justizwachtmeister in seine Nähe stellen wegen der Befürchtung, er könne gewalttätig werden.   

Der Zeuge kannte auch die beiden Angeklagten

In dem seit zwei Monaten andauernden Verfahren ist bisher wenig Substanzielles herausgekommen. Dafür mehren sich die Wunderlichkeiten. Der Zeuge Y. kannte etwa auch die Angeklagte Kh.-B., beide lebten in Ingolstadt. Sie soll einmal versucht haben, so erzählt er, ihn in einem Hotelzimmer zu verführen. Er habe sie zurückgewiesen. Auch hat Y. den weiteren Angeklagten Sheqir K. flüchtig aus Ingolstadt gekannt. Dass Kh.-B. wusste, dass das spätere Opfer die Freundin von Y. ist, dafür gibt es bislang keine Hinweise.

Die Verteidigung versucht, solche seltsamen Dinge auszunutzen, um die Doppelgängerinnen-Theorie infrage zu stellen. Gemäß dieser war Schahraban Kh.-B. die treibende Kraft und der weitere Angeklagte K. der Gehilfe, der Schlächter. Einer der Verteidiger von Kh.-B. fragt den Zeugen auf den Kopf zu: „Haben Sie mit dem Mord zu tun?“ Dieser sagt: „Nein! Ich will von hier weg, Alter!“ 

Für seine Freundin Khadidja O. hatte Y. nach dem Mord eine Trauerfeier am Tatort veranstaltet. „Das macht man halt“, sagt er. „Ich war fertig, ich hab mein Gebet gemacht.“ Jetzt ist er wegen Depressionen und Suizidgedanken in Behandlung. Die Verteidigung von Kh.-B. bezweifelt, dass er momentan überhaupt fähig ist zu einer sinnvollen Aussage. Sie will das psychiatrisch begutachten lassen.