Erwartet uns ein unbeschwerter Sommer? Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Nach Wochen des Rückgangs zeichnet sich eine Trendumkehr bei den Corona-Infektionszahlen in Baden-Württemberg ab. Von einer Krise ist noch keine Rede, aber geht es direkt in die nächste Welle?

Stuttgart - Gut sah es aus seit Mitte Februar: Die Kurve der Corona-Fallzahlen in Baden-Württemberg zeigte nach unten. Doch nun scheint der Abwärtstrend gebrochen. Die Neuinfektionen nehmen seit Tagen wieder zu - trotz eines minimalen Inzidenz-Rückgangs am Montag. Ist das bereits eine neue Welle? Was es mit dem Anstieg auf sich hat und was das für die Kliniken bedeutet.

Warum steigt die Inzidenz?

Fastnacht und Lockerungen sind für das Landesgesundheitsamt die maßgeblichsten Gründe. Während der Faschingsferien waren die Menschen oft unterwegs und hatten mehr Kontakte, so die Einschätzung der Behörde. Zugleich hob die Landesregierung Ende Februar viele Corona-Maßnahmen auf. Ein weiterer Grund könnte die noch leichter übertragbare Omikron-Untervariante BA.2 sein. Ihr Anteil an Neuinfektionen nimmt zu und könnte die Omikron-Welle verlängern.

Wie ist die Belastung in den Kliniken?

Weiter hoch. Jedes freie Bett werde genutzt, um die in den letzten Monaten verschobenen Operationen nachzuholen, sagt Matthias Einwag von der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft. Der Zeitpunkt, zu dem die Krankenhäuser in den Normalbetrieb übergehen könnten, rücke in die Ferne. Die „relativ entspannte Situation im Sommer 2021“ hat die Kliniken demnach noch nicht erreicht. Damals wurden laut Einwag rund 50 Covid-Patienten auf Intensivstationen behandelt, zuletzt waren es deutlich mehr als 200. Auch auf Normalstationen ist die Belegung mit Infizierten hoch.

Was heißt das für den Sommer?

Auch bei wärmeren Temperaturen wird uns Corona wohl erhalten bleiben. Der Virologe Christian Drosten etwa geht nicht von einem infektionsfreien Sommer aus. Als Gründe nannte er den nicht ausreichenden Impffortschritt und die weiter hohe Infektionstätigkeit. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte zuletzt gar vor einer Sommerwelle bei den Neuinfektionen. Die Einhaltung der Schutzmaßnahmen und die Impfung seien nach wie vor wichtig, um das Infektionsgeschehen bestmöglich einzudämmen, betonte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Stuttgart.

Wie sehr ist auf die Zahlen auch Verlass?

Immer wieder ist von Meldeverzug und einer Dunkelziffer die Rede. Fakt ist: Die Gesundheitsämter verfolgen nicht mehr alle Kontakte. Zugleich fällt derzeit weiter mehr als jeder zweite PCR-Test positiv aus. Je höher die sogenannte Positivrate ist, desto größer dürfte die Zahl der unerkannten Infektionen sein. Die Fallzahlen in Kombination mit den Daten zur Auslastung in den Kliniken ermöglichten weiterhin eine sichere Beurteilung der Lage, zeigte sich der Sprecher des Gesundheitsministeriums überzeugt.

Bringt der Impfstoff Novavax eine Wende?

Bislang nicht. Es gab die Erwartung, dass Menschen, die die mRNA-Impfstoffe kritisch sehen, zu dem neuen Vakzin greifen würden. Doch die Nachfrage ist derzeit gering.

Haben wir wieder eine Krisenlage?

Nein. Jan Steffen Jürgensen, Chef im Klinikum Stuttgart, dem größten Krankenhaus im Land, sagt, dass bei ihm die Zahl der positiv getesteten Patienten mit 109 relativ hoch sei, allerdings seien nur zehn davon in intensivmedizinischer Behandlung und ein hoher Anteil sei „mit“ Covid und nicht „wegen“ Covid da. Steffensen: „Mein Ausblick bezüglich Covid ist für die nächsten Monate sehr optimistisch. Die Herausforderungen des Krieges werden sicher ungleich größere Belastungen nach sich ziehen.“ Ähnlich äußert sich Götz Geldner, Chefarzt in Ludwigsburg und Landeskoordinator für Covid-Verlegungen: „Auf Intensiv- und Normalstationen gibt es kein Problem, wir haben mehr Patienten mit Covid als wegen Covid.“ Die BA2-Variante sei gerade dominant, die sei noch ansteckender, aber man werde „weniger schwer krank“. Das flacht den Abfall der Infektionsraten ab. Problematisch seien Personalausfälle wegen Quarantäne.