Ronni Hohn fertigt Crêpes-Wender aus Holz, die genau seinen Vorstellungen entsprechen. Quelle: Unbekannt

Von Jan-Philipp Schütze

Stuttgart - Erst die Seiten mit dem elektrischen Kantenschleifer glätten, als nächstes die Spitze mit der Stichsäge in Form bringen, dann geht es an den Griff - das längliche Holzbrett nimmt langsam, aber sicher Gestalt an. Ein Crêpes-Wender solle es werden, erklärt Ronni Hohn, während er konzentriert am Werkeln ist. Arbeitsmaterial für den kleinen Crêpes-Stand, mit dem der 48-Jährige nebenberuflich auf Straßenfesten unterwegs ist. Einen solchen Wender, sagt Hohn, könne er zwar auch im Internet kaufen, die seien in der Standardlänge aber viel zu kurz. Und die lange Version gebe es nur aus Metall. Also macht sich Hohn selbst an die Arbeit. Dafür ist er zum ersten Mal in den „Hobbyhimmel“ im Feuerbacher Gewerbegebiet gekommen, wo er gleich mit Feuereifer bei der Sache ist. „Daheim habe ich gar nicht die ganzen Werkzeuge, die ich für so ein Projekt brauche“, sagt er.

So erging es einst auch Martin Langlinderer, dem Gründer des „Hobbyhimmels“. Vor zweieinhalb Jahren wollte der 35-Jährige für einen guten Freund einen Bilderrahmen aus Holz bauen. Fehlte nur noch die passende Maschine für den perfekten Zuschnitt. „Mir selbst ein teures Gerät kaufen wollte ich aber nicht, da ich es ja nur einmal benutzen wollte“, erzählt Langlinderer. „In der Garage hätte es zudem nur unnötig Platz weggenommen.“ Das Geschickteste, dachte er sich, wäre in so einem Fall eine offene Werkstatt, die man zeitweise für bestimmte handwerkliche Vorhaben nutzen kann. Getreu der Devise: „Die Leute wollen keine Bohrmaschine, sondern ein Loch in der Wand.“

Also begann Langlinderer zu recherchieren, besuchte 20 offene Werkstätten in ganz Deutschland, unter anderem das „Haus der Eigenarbeit“ in München, und wusste irgendwann: Das ziehe ich durch. Vor zwei Jahren gab er seine Festanstellung als Wirtschaftsingenieur in einem Industriebetrieb auf, um sich Vollzeit mit seinem Projekt beschäftigen zu können. Er kratzte seine gesamten Ersparnisse zusammen und investierte sie in den Ausbau einer Lagerhalle im alten Behr-Werk in der Siemensstraße. Auf rund 300 Quadratmetern findet sich dort nun fast alles, was das Heimwerkerherz höherschlagen lässt. Von Tischbohrmaschinen, Fräsen und Schweißgeräten, über Drehbank, Kombiformatkreissäge, Bandsäge, Drechselbank und Dekupiersäge, bis hin zu Schneidplotter, CNC-Fräse und 3D-Drucker. Einige Geräte sind Leihgaben von Firmen, ein Lasercutter wird gerade in Eigenregie gebaut.

Seit Oktober 2015 ist der „Hobbyhimmel“ probeweise geöffnet, seit Februar regulär. „Die Nutzerzahlen steigen stetig“, sagt Langlinderer. Vieles laufe über Mund-zu-Mund-Propaganda oder über die sozialen Netzwerke im Internet. Manchmal seien bis zu 15 Nutzer gleichzeitig in der Werkstatt, die täglich von mittags bis in den späten Abend hinein geöffnet hat. Gegen eine Gebühr, die sich nach der Nutzungsdauer richtet, kann jeder im hobbymäßigen Umfang werkeln, die Nutzung mancher Großgeräte kostet extra.

Langlinderer versteht sein Projekt als „Social-Profit-Startup“. Mit den Einnahmen soll der „Hobbyhimmel“ zunächst einmal auf finanziell sichere Beine gestellt werden, spätere Gewinne sollen der Allgemeinheit zugutekommen. Unter anderem der Initiative „Viva con Agua“, die jedem Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglichen will. Später sollen die Mitstreiter der Initiative in Langlinderers Werkstatt die Tonnen fertigen können, mit denen sie auf Festivals Pfandbecher als Spenden sammeln. „Ziel ist es, dass sich die Werkstatt irgendwann wirtschaftlich trägt, damit ich in Zukunft mehr soziale Projekte unterstützen kann“, sagt Langlinderer. Auch das Thema Nachhaltigkeit sei ihm sehr wichtig. Also Dinge lieber zu reparieren, anstatt sie wegzuwerfen.

Obwohl Langlinderer bereits mehrere Helfer gefunden hat, bleibt der Großteil der Arbeit noch an ihm hängen. „Die freien Tage, die ich seit August hatte, kann ich an einer Hand abzählen.“ Auf lange Sicht will er deshalb einen Verein oder eine gGmbH gründen, um die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen. „Und bis Ende des Jahres hätte ich gerne zwei freie Tage pro Woche.“ Zudem gebe es Überlegungen, noch ein zweites Mal bei der Stadt Stuttgart bezüglich einer finanziellen Unterstützung anzufragen. „Ich möchte aber gerne organisatorisch unabhängig bleiben.“

Bedenken, seine offene Werkstatt könnte den örtlichen Handwerksbetrieben schaden, hat Langlinderer nicht. „Wenn es danach geht, müsste man auch Bibliotheken schließen.“ Ganz im Gegenteil könnten die Leute lernen, die Bedeutung, den Aufwand und dadurch den Wert von professioneller Handwerkskunst wieder zu schätzen. Die Nutzer kommen auch mit Gleichgesinnten in Kontakt, fachsimpeln und helfen sich gegenseitig. „Da gibt es dann den Finanzbeamten, der in seiner Freizeit gerne Stahlregale baut und hier mit einem Schlosser in Kontakt kommt, der ihm Tipps bei der Metallbearbeitung gibt“, sagt Langlinderer.

Tipps gibt es auch bei diversen Workshops, beispielsweise beim „Einsteigerkurs Schweißen“ oder bei „Naturkosmetik selber herstellen“ und „Metallbearbeitung für Frauen“. Zudem findet das „Repair Café“, eine Veranstaltungsreihe, bei der gemeinsam defekte Alltagsgegenstände repariert werden, alle zwei Monate am letzten Sonntag im Monat im „Hobbyhimmel“ statt. Zuletzt waren auch Grundschüler zu Gast, um Karteikartenkästchen aus Holz zu bauen.