Rapsblüten werden gerne von Honigbienen oder anderen Insekten besucht und bilden im Mai eine wichtige Quelle für Pollen und Nektar. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Nicht jeder Imker ist automatisch ein Naturschützer, denn zu viele Bienenvölker an einem Platz können zur Nahrungskonkurrenz für ihre wilden Verwandten werden. Gartenbesitzer sollten vor allem auf das Mulchen verzichten, sagt Bruno Lorinser, Vorsitzender des Nabu Waiblingen.

Nur wenige Tiere haben derzeit ein so positives Image wie die Honigbiene. Während viele Menschen vor allem den Honig mit den emsigen Insekten assoziieren, ist ihre Bestäubungsleistung für Landwirtschaft und Natur viel höher einzuschätzen. Ist die Bienenzucht deswegen immer und überall ausschließlich positiv zu bewerten, sozusagen Naturschutz pur? „Da gibt es auch Argumente, die in die andere Richtung deuten“, sagte kürzlich Bruno Lorinser anlässlich seines Vortrags im Paul-Gerhardt-Haus in Waiblingen-Neustadt. „Wie passen Imkerei und Naturschutz zusammen?“, war die Frage, mit der sich der 71-Jährige beschäftigte. Passenderweise ist Bruno Lorinser nicht nur seit mehr als 40 Jahren Vorsitzender des Nabu Waiblingen, sondern auch als Imker Herrscher über sechs Bienenvölker.

Worin besteht der mögliche Konflikt zwischen Wildbienen und Honigbienen?

„Es ist ein Mengenproblem“, sagt Bruno Lorinser. Einige wenige Bienenvölker dürften auch benachbarte Wildbienen kaum stören. Wenn jedoch ein Großimker etliche Dutzend Völker an einen Platz bringt, dann stellt sich die Situation je nach Jahreszeit, Lebensraum und Art der dort vorhandenen Wildbienen möglicherweise anders dar. Zwar sind solche Völkermassierungen im Rems-Murr-Kreis selten, sie können jedoch zu einer Nahrungskonkurrenz führen. Erschwerend kommt hinzu, dass rund ein Drittel der in Deutschland vorkommenden 561 Wildbienenarten auf eine einzige Pflanzenfamilie oder Pflanzengattung spezialisiert sind. Die Hahnenfuß-Scherenbiene gehört zu diesen sogenannten oligolektischen Arten. In ihrem Fall ist es die Gattung Hahnenfuß, auf die das Insekt spezialisiert ist.

Welche Unterschiede gibt es eigentlich zwischen Wildbienen und Honigbienen?

Honigbienen leben in Völkern, die im Mai oder Juni rund 50 000 Tiere umfassen können. Im Winter schrumpft diese Zahl zwar auf etwa ein Drittel, aber dennoch müssen die Honigbienen für diese Masse Wintervorräte anlegen, den Honig. Wildbienen leben dagegen meist als Einzeltiere, sogenannte Solitärbienen. Einige Arten wie beispielsweise die Hummeln bilden Staaten, von denen jedoch nur die junge Königin den Winter überlebt. Sie haben oft einen geringen Flugradius von teilweise nur rund hundert Metern, sind also auf nahe gelegene Futterquellen angewiesen.

Wer ist der bessere Bestäuber, die Wild- oder die Honigbiene?

Das kommt auf die Betrachtungsebene an. Als Einzeltier sind viele Wildbienen die besseren Bestäuber. Mauerbienen und Hummeln werden sogar extra für diesen Zweck gezüchtet. Sie fliegen teilweise bereits bei tieferen Temperaturen los, als die erst ab etwa 12 Grad Celsius aktive Honigbiene. Die Hummel beispielsweise legt bereits bei drei Grad Celsius los, die Gehörnte Mauerbiene bei vier Grad. Oft sind Wildbienen pelziger als die – im Alter übrigens kahler werdenden – Honigbienen und haben teilweise längere Rüssel. Bei Tomaten sind Hummeln besonders gut als Bestäuber geeignet, da sie durch ihre Vibrationen den Pollen besser lösen. Da Honigbienen jedoch als Volk überwintern, stehen schon zur Zeit der Obstblüte Tausende von Honigbienen als Bestäuber zur Verfügung. Hummelvölker bauen sich dann erst auf. Zudem haben Honigbienen einen größeren Aktionsradius als fast alle Wildbienen.

Honigbienen sind blütenstet. Was bedeutet das überhaupt?

Die einzelne Honigbiene bewegt sich pro Ausflug, also vom Verlassen des Stocks bis zur Rückkehr, nur auf Pflanzen einer Art. Sie fliegt also beispielsweise Apfelbäume verschiedener Sorten an, nicht jedoch einen blühenden Birnenbaum. Das lässt sich im Rems-Murr-Kreis derzeit gut auf jenen Feldern beobachten, die zur Gründüngung mit unterschiedlichen, aber gleichzeitig blühenden Arten bebaut sind.

Wie stark betrifft das Insektensterben die Honigbienen?

Bei Erhebungen in 63 deutschen Schutzgebieten zwischen 1989 und 2016 haben Entomologen einen Rückgang von 76,7 Prozent bei der Gesamt-Körpermasse der gefangenen Fluginsekten festgestellt. Neuere Untersuchungen deuten in eine ähnliche Richtung wie diese sogenannte Krefeld-Studie. Die Zahl der Honigbienenvölker steigt dagegen seit etwa 15 Jahren wieder an. Am Tiefpunkt 2007 gab es bundesweit 670 000 Kolonien, 2022 waren es 996 000. Das liegt hauptsächlich am gestiegenen Interesse an der Imkerei, denn Honigbienen leben praktisch ausschließlich in menschlicher Obhut. Diese Zahlen sind im historischen Vergleich dennoch eher gering. 100 Jahre zuvor, also 1922, waren es noch mehr als 1,8 Millionen Völker, im Jahr 1900 gar rund 2,6 Millionen.

Gibt es wildlebende Honigbienenvölker im Rems-Murr-Kreis?

Nachdem immer wieder Berichte von angeblich lange überlebenden wilden Honigbienenvölkern in Mauern oder Baumhöhlen zu lesen waren, bestätigen neueste Untersuchungen dies nicht. Fast alle der – im Fall einer Studie in Spechthöhlen nistenden – Bienenvölker waren im Folgejahr tot. Das lag übrigens nicht am schlimmsten Feind der Honigbiene, der vor rund 50 Jahren aus Asien eingeschleppten Varroamilbe. Entscheidend waren andere Umweltfaktoren, vor allem der Nahrungsmangel.

Stimmt es eigentlich, dass Honigbienen nicht in Naturschutzgebieten aufgestellt werden dürfen?

Grundsätzlich dürfen in Naturschutzgebiete keine Tiere und Pflanzen eingebracht werden. Das gilt auch für Honigbienen. Jedoch gelten für jedes Schutzgebiet individuelle Regelungen, die in einer speziellen Rechtsverordnung festgelegt sind. Von den Verbotsvorschriften kann das für den Rems-Murr-Kreis zuständige Regierungspräsidium (RP) Stuttgart eine Befreiung erteilen. Laut Auskunft des RP ist dafür eine maßgebliche Voraussetzung, „dass die Imkerei nicht auch auf Flächen betrieben werden kann, welche außerhalb von Naturschutzgebieten liegen und von denen aus keine Auswirkungen auf Naturschutzgebiete zu erwarten sind“. Im Regierungsbezirk Stuttgart sind bereits einige – zum Teil schlagzeilenträchtige – Fälle bekannt, in denen Bienenvölker aus Naturschutzgebieten entfernt werden mussten. „Beim Aufstellen von Bienenvölkern in Schutzgebieten ist immer auch der gesunde Menschenverstand gefragt – in Übereinstimmung mit dem Schutzzweck des Gebiets“, sagt Bruno Lorinser.

Wie kann man Wildbienen helfen?

Wildbienen brauchen Futterpflanzen, Nistplätze und Überwinterungsmöglichkeiten. Eine artenreiche und während des ganzen Sommers blühende Wiese mit einheimischen Wildblumenarten trägt dazu bei. Da rund zwei Drittel der Wildbienen nicht in sogenannten Insektenhotels brüten, sind offene Flächen in sandigem Boden hilfreich. Wiesen sollten keinesfalls gemulcht werden, denn dadurch sterben nicht nur zahlreiche Insekten und andere Tiere, sondern die Zahl der Pflanzenarten sinkt enorm. Stehen gebliebene Halme können zudem – neben anderen Hohlräumen wie Mauerspalten oder Baumhöhlen – als Überwinterungsquartier dienen.