Die Hedelfinger Bürger haben nur noch bis 29. Januar die Gelegenheit, den dezentralen Bürgerbüro-Service in „ihrem“ Rathaus zu nutzen. Von 1. Februar an ist das Bürgerbüro bis 11. März geschlossen. Foto: Kuhn Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Die Mitteilung, dass die Stadt „vorübergehend fünf Bürgerbüros schließe“, erschien belanglos, barg jedoch Zündstoff. Die Bürgerbüros in Hedelfingen, Münster, Obertürkheim, Degerloch und Stammheim werden von 1. Februar bis 11. März nicht besetzt sein. Das Personal muss melderechtliche Anträge von Flüchtlingen erfassen, die Bürger auf andere Dienststellen ausweichen. Bei Bezirksbeiräten löste die Entscheidung „Unmut“ und „absolutes Unverständnis“ aus.

Die Mitteilung kam selbst für die Bezirksvorsteher überraschend. Von 1. Februar an werden fünf der 22 Bürgerbüros im Stadtgebiet für sechs Wochen zugemacht. Ausgewählt wurden die „kleineren Einheiten“ in Hedelfingen, Obertürkheim, Münster, Degerloch und Stammheim. Wer seinen Ausweis verlängern, einen Reisepass, Führerschein oder andere Dokumente beantragen, sich an- oder abmelden oder Anträge einreichen will, muss von 1. Februar auf den Bürgerservice vor Ort verzichten und erhebliche Umwege in Kauf nehmen. Bürger aus Hedelfingen und Rohracker sollen das Bürgerbüro in Stuttgart-Ost aufsuchen. Bewohner aus Obertürkheim, Uhlbach und Münster sollen nach Bad Cannstatt fahren. „Eine Unverschämtheit“, waren sich die Hedelfinger Bezirksbeiräte einig. Mehrfach hatten die Lokalpolitiker mehr Personal für das Hedelfinger Bürger- und Bezirksbüro gefordert, da die Mitarbeiterinnen seit Langem am Limit arbeiten und jetzt werden ausgerechnet die Hedelfinger und Obertürkheimer Stelle geschlossen. Auch die Bezirksvorsteher Kai Freier (Hedelfingen) und Peter Beier (Obertürkheim) bedauern die Situation. „Wir waren in die Entscheidung nicht eingebunden, sondern erfuhren erst am Montag davon“, sagen beide. Dies stelle eine „deutliche Einschränkung des Services“ dar. Zumal zu Beginn des Jahres viele Bürger neue Anträge stellen müssten. „Wir werden versuchen, zu helfen. Aber die Ressourcen der Mitarbeiter im Bezirksamt sind endlich, zumal die Briefwahl ansteht“, so Beier. Freier hätte sich eine Teilschließung - an drei Tagen pro Woche - gewünscht.

Für Dieter Biller, den stellvertretenden Leiter des Amts für öffentliche Ordnung, ist dies keine praktikable Lösung. Die Stadt habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Im vergangenen Jahr habe die Bevölkerungszahl um rund 10 000 Personen zugenommen, darunter viele Flüchtlinge. Eigentlich müssten sie in der Erstaufnahmestelle in Karlsruhe auch melderechtlich erfasst werden. „Doch die Kollegen dort sind noch stärker von dem Zuwachs betroffen“, zeigt Biller Verständnis. Doch abwarten, bis die Karlsruher Kollegen die Daten aufgenommen haben, sei auch kein Rezept. „Die Flüchtlinge benötigen eine Anmeldung, um eine Familienkarte zu erhalten oder um ein Girokonto zu eröffnen, auf das sie ihre Sozialleistungen überwiesen bekommen“, erklärt Biller. Rund 3000 Fälle müssen deswegen von den Mitarbeitern der Bürgerbüros noch melderechtlich nachbearbeitet werden. „Die Mitarbeiter der vorübergehend geschlossenen Bürgerbüros werden dazu in größere Einheiten - etwa in Stuttgart-Nord, wo es viele Flüchtlinge gibt - zusammengezogen“, so Biller.

Er ist sich bewusst, dass die Last in Form von Umwegen, auf die Bürger verteilt werde, erntet dennoch „absolutes Unverständnis“, sagt Hedelfingens CDU-Bezirksbeirat Hans Eisele. „Die Leidtragenden sind wieder die kleinen Stadtbezirke“, so René Hildebrandt, der Vorsitzende der CDU Münster. Gerade die dezentralen Bürgerbüros seien ein Aushängeschild der Landeshauptstadt. Daran dürfe nicht gerüttelt werden. Auch die Obertürkheimer Bezirksbeiräte formulierten in der gestrigen Sitzung ihren Unmut. „Der Ärger ist groß. Wir hätten uns über eine bürgerfreundlichere Lösung gefreut, beispielsweise, dass das Bürgerbüro nur an zwei Tagen offen hat“, so Peter Aichinger (Freie Wähler) nach Rücksprache mit den anderen Fraktionen.