Riesenjubel bei Österreichs Sportdirektor Patrick Fölser (li.) und Trainer Ales Pajovic nach dem Sieg gegen Ungarn – jetzt geht es gegen Deutschland. Foto: Imago/eu-images

Österreichs Handballer lösen durch ihre EM-Erfolge einen Boom in ihrem Heimatland aus – und träumen vor dem brisanten Duell mit Deutschland am Samstag sogar von einer Olympia-Teilnahme. Wer sind die treibenden Kräfte des Teams?

Patrick Fölser ist eigentlich ein eher ruhiger Vertreter seiner Zunft. Doch auch für den Sportdirektor der österreichischen Handball-Nationalmannschaft gab es nach dem 30:29 gegen Ungarn kein Halten mehr. Erst fasste er sich mit beiden Händen ungläubig an den Kopf, dann umarmte und herzte er ausgelassen jeden, der ihm über den Weg lief. „Wir haben so eine verschworene Mannschaft. Jeder würde für den anderen den Arm hergeben“, frohlockte der ehemalige Kreisläufer, der von 2000 bis 2002 für den VfL Pfullingen spielte – in einem Team übrigens mit Axel Kromer, dem Vorstand Sport des Deutschen Handballbundes (DHB).

An diesem Samstag (20.30 Uhr/ARD) sehen sie sich wieder. Beim zweiten Spiel in der Hauptrunde. Zum Bruderduell. Österreich weist 3:1 Punkte auf, Deutschland 2:2. Die Brisanz ist riesig. Nur der Sieger darf weiter vom Halbfinale träumen. Dass solch eine Aussicht überhaupt einmal im Zusammenhang mit dem deutschen Nachbarland Erwähnung findet, ist schon eine Sensation. Doch das Team von Trainer Ales Pajovic rockt mit seinen frechen Auftritten die EM und hat sich das hart erarbeitet.

„Wunder von Mannheim“

Nach dem lockeren 31:24-Auftakt gegen Rumänien gab’s ein viel beachtetes 28:28 gegen Kroatien. Mit dem 29:29 gegen Spanien kegelte Österreich eine Top-Nation aus dem Turnier. Und nach diesem „Wunder von Mannheim“ (Tiroler Tageszeitung) folgte der Last-Minute-Sieg gegen die bisher verlustpunktfreien Ungarn.

Mit Zufall dürfte dies alles herzlich wenig zu tun haben. Was auch in der Heimat inzwischen so gesehen wird. „Der Österreicher hinterfragt viel“, erklärt Fölser, der mit einer Stuttgarterin verheiratet ist, die Austria-Mentalität„aber jetzt glaubt man an uns. Die Zeitungen sind voll, wir sind auf den Titelseiten. Alles explodiert.“ Der Hype ist riesig.

Nicht auszudenken, was in der Alpenrepublik los wäre, wenn jetzt auch noch im direkten Duell gegen den großen Nachbarn gewonnen würde, so wie das die Fußballer vergangenen November bei ihrem 2:0 in Wien vorgemacht haben. Am mangelnden Selbstvertrauen wird es nicht scheitern: „Wir wollen den Sieg, wir wissen, dass wir stark genug sind“, sagt Kreisläufer Tobias Wagner (früher HBW Balingen-Weilstetten) und ergänzt: „Wir spielen am Samstag ums Halbfinale, jedem muss bewusst sein, dass wir Großes schaffen können.“ Er wirkte dabei nicht großspurig, sondern einfach nur maximal euphorisiert und dachte sogar schon einen Schritt weiter: „Platz drei bei der EM könnte sogar für die direkte Olympia-Qualifikation reichen.“

Starspieler Nikola Bilyk

Der 128-Kilo-Koloss Wagner gehört zu den Schlüsselspielern im Team Austria. Ins Spiel gebracht wird er meistens vom kreativen Spielmacher Lukas Hutecek vom Bundesligisten TBV Lemgo Lippe. Star des Teams ist Nikola Bilyk vom deutschen Rekordmeister THW Kiel. Fantastische Paraden zeigte zuletzt Keeper Constantin Möstl (Alpla HC Hard).

Und dann wäre da noch der in der Bundesliga hauptsächlich beim SC Magdeburg sozialisierte Flügelflitzer Robert Weber. Der Fünfte der ewigen Bundesliga-Torschützenliste (inzwischen HSG Bärnbach/Köflach) erlebt mit 38 Jahren seinen x-ten Frühling. „Wir haben der ganzen Welt gezeigt: Österreich ist am Leben“, sagte Weber, der nur eine Sorge hatte: Dass auch seine Liebsten unter den 19 750 Zuschauern in der Lanxess-Arena sein können: „Ich habe meiner Familie schon zuvor gesagt, holt euch Tickets und fliegt nach Köln. Das ist eines der größten Spiele, die man erleben kann. Auch mein Sohn muss das sehen.“ Ob der zehn oder elf Jahre alt ist, konnte er im Eifer des Gefechts erst gar nicht sagen. Bei dem Hype sei ihm das verziehen.