Ein ehemaliges Supermarktlager der U.S. Army bei Heidelberg dient nun als Kunsthalle. Darin schickt der Zwei-Sterne-Koch Boris Rommel die Gäste „Round the World“.
Etwas orientierungslos geht es zum Eintritt und Empfang durch einen schwarzen Stofftunnel. In einem dunklen Barbereich erklingt Piano-Livemusik. Beobachtet von einem riesigen Gesicht mit Schriftzügen an der acht Meter hohen Wand wird der Aperitif serviert. Im nächsten Raum, der in sattrotes Licht getaucht ist, schlängeln sich in einem Gemälde Pflanzen um einen Totenkopf und gibt es Snacks vom Imbisswagen, bevor sich die maximal 100 Gäste im japanisch inspirierten Setting zu Tisch begeben.
Zwei Welten: Ankunftszentrum für Geflüchtete und Kunsthalle für Street-Art
Die Bliss Group, die in Heidelberg mehrere Restaurants und ein Catering-Unternehmen betreibt, hat ein neues Kapitel ihrer Po-up-Kitchen-„Stories“ aufgeschlagen. Darin werden Räume erobert und vom Designstudio Glatz & Glatz immersiv erweitert. Nach der kulinarischen Bespielung des Heidelberger Bahnbetriebswerks, des barocken Palais Prinz Carl und eines ehemaligen Spielzeugladens mit dem Motto „Alice im Wunderland“ heißt es nun: „Round the World“.
Ausgangspunkt für die genussvolle Weltreise ist das „Metropolink’s Commissary“ im Patrick-Henry-Village, einem einstigen Standort der U.S. Army außerhalb von Heidelberg. Auf dem Gelände ist nicht nur ein Ankunftszentrum für Geflüchtete eingerichtet, sondern steht mit der ehemaligen Lagerhalle eines Supermarkts eine Ausstellungsfläche für Street-Art zu Verfügung. Die großformatigen Wandgemälde dienen nun als Rahmen für eine „Spielwiese“, in der man „mit allen Sinnen genießen“ kann, wie Sven Günther und Daniel Marquardt, Mitgeschäftsführer der Bliss Group sagen.
Boris Rommel ist auch im Schlosshotel Friedrichsruhe umgeben von Kunst
Erstmals konnte für die „Stories“ ein Zwei-Sterne-Koch gewonnen werden, der mit Sven Günther ein Fünf-Gänge-Menü konzipiert hat. Boris Rommel war sofort „begeistert von der Idee, Gourmetküche mit Kunst zu verbinden“. Schließlich hat der Küchendirektor des Wald- und Schlosshotels Friedrichsruhe in Zweiflingen eine direkte Nähe dazu. Mit Kronleuchtern von der Decke und Ölgemälden an den Wänden ist sein alltägliches Arbeitsumfeld im Vergleich zur Lagerhalle in Heidelberg zwar sehr viel gediegener, aber: Das Luxushotel gehört zur Würth-Gruppe des „Schraubenkönigs“ Reinhold Würth, der auch einer der bedeutendsten Kunstsammler Europas ist.
„Eigentlich bin ich ja ein Vertreter der klassischen französischen Küche“, betont Boris Rommel. Aber nicht nur seine „Liebe zu Thailand“ eröffnet ihm auch Möglichkeiten, andere kulinarische Welten zu erschließen. Und so geht es in „Round the World“ nach dem Check-in von der Londoner Lobby aus mit Ceviche im Caipi-Style weiter Richtung Rio, Thailand und Mexiko, um nach einem längeren Aufenthalt in Japan mit einer falschen Mandarine und New Yorker Cheesecake die Reise zu beenden.
Einmaliges Gastspiel mit sechs Spitzenköchen
Die Pop-up-Kitchen hat auch das Interesse anderer Sterneköche geweckt, allen voran Robert Rädel vom nahe gelegenen Restaurant Oben auf dem Heidelberger Königstuhl. Und so standen an einem gemeinsamen Abend weniger die Inspirationen aus verschiedenen Länderküchen, sondern mehr die individuellen Handschriften von sechs Spitzenköchen im Mittelpunkt. Etwa die von Benjamin Pfeifer aus dem Intense in Wachenheim oder von Ricky Saward aus dem Seven Swans in Frankfurt, dem einzigen veganen Sternerestaurant Deutschlands.
Nach dieser „Stories“ Sonderedition geht es in „Round the World“ immer donnerstags bis samstags wieder weiter mit den Gerichten von Boris Rommel und Sven Günther. Das Konzept erinnert ein bisschen an „Eatrenalin“ im Europapark Rust, wo die Gäste durch verschiedene kulinarische Erlebniswelten gebeamt werden, nur dass man in Heidelberg ohne Rummel und selbstfahrende Sessel auskommt. Aber diese Pauschalreise wird ebenso gut gebucht und wurde wegen der großen Nachfrage bis zum 11. Mai verlängert. Vielleicht gibt es zur Finissage auch noch mal ein Gastspiel mit weiteren Köchen, sicher aber ist: An einer Fortsetzung der erfolgreichen „Stories“ wird schon geschrieben.