Plätze für Frauen in Gewaltbeziehungen gibt es im Kreis viel zu wenige. Foto: Dan Race - Fotolia

Der Verein Frauen für Frauen in Ludwigsburg will nichts unversucht lassen, um das erhoffte Fördergeld vom Bund für ein weiteres Frauenhaus doch noch zu erhalten. Die Verantwortlichen sind empört, dass sich nichts bewegt – sie erhöhen den Druck auf die Politik.

Man bekommt Katrin Lehmann auf der Zugfahrt zu einem Frauenhaus ans Telefon – es ist nicht die Einrichtung in Ludwigsburg, sondern die in Baden-Baden. Aber Sorgen über die Finanzierung ihrer Arbeit haben die Frauenhaus-Träger landauf, landab. Dass es um die Zukunft eines zweiten Hauses in Ludwigsburg wegen ungeklärter Fördergeld-Aussichten schlecht stehe, obwohl das Gebäude bereitstünde, findet die Referentin für Mädchen und Frauen beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg desaströs. „Gerade für den Kreis Ludwigsburg mit so vielen Einwohnern wäre dieses Frauenhaus extrem wichtig“, sagt Lehmann. „Es ist ein Unding, das Projekt so lange in der Warteschleife zu lassen.“

14 Frauenhaus-Träger aus Baden-Württemberg reichten Anträge ein, als das Bundesfamilienministerium 2019 verkündete, 120 Millionen Euro in den Aus-, Um- und Neubau von Frauenhäusern und Beratungsstellen investieren zu wollen. „Acht davon stecken ähnlich in der Pipeline wie das Ludwigsburger Projekt“, erzählt Lehmann – ausgerechnet Vorhaben, die neue Plätze bringen würden, während schon zum Zuge gekommene Projekte etwa barrierefreie Um- oder Anbauten waren, „aber nur eine Handvoll Plätze schufen“, so Lehmann. „Die Plätze brauchen wir aber dringend.“

Der Ludwigsburger Verein Frauen für Frauen stellte vor einem Jahr einen Förderantrag für sein auf drei Millionen Euro Kosten geschätztes Vorhaben. Bearbeitet werden die Gesuche von der Bundesservicestelle im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Weil er seither nichts von den Fördergeldgebern hörte, setzte der Verein in den vergangenen Monaten alle Hebel in Bewegung, um Klarheit über die Aussichten für das Vorhaben zu bekommen. Denn seit März 2022 wird dem Verein eine Immobilie freigehalten, für das aber die Reservierungszeit abläuft.

Aufnahmestopp für neue Fördervorhaben

Als endlich ein Online-Gespräch mit der Bundesservicestelle stattfand, kam dabei heraus, dass sich das Verfahren bis zu einer möglichen Förderzusage noch bis August 2024 hinziehen könnte. Es blieben nur wenige Monate, um den Umbau des Gebäudes anzugehen und abzurechnen: Ende 2024 läuft das Bundesförderprogramm aus. Die Bundesservicestelle riet, das Vorhaben ruhen zu lassen – was der Verein nach seiner langen Vorarbeit und angesichts des freigehaltenen Hauses als Schlag ins Gesicht empfindet. Mitte April verkündete die Bundesservicestelle dann einen Aufnahmestopp für neue Fördervorhaben. Man wolle sich auf noch im Verfahren stehende Projekte konzentrieren.

Das Bundesfamilienministerium gibt sich auf Nachfragen zu den Aussichten für das Ludwigsburger Vorhaben und zum holprigen Prozedere wortkarg und geht nicht auf konkretes Nachhaken ein. Weil 2020 und 2021 wenig Mittel abgerufen worden seien, habe der Bundestag 2023 zehn Millionen Euro weniger bereitgestellt, sagt eine Ministeriums-Sprecherin. Das Familienministerium und die Bundesservicestelle suchten nach Lösungen für alle im Verfahren stehenden Projekte. Um noch möglichst viele fördern zu können, sei die Servicestelle auf die Unterstützung der Länder und Träger angewiesen – „je schneller fehlende Unterlagen vorgelegt werden, desto größer sind die Chancen, dass ein Projekt noch bewilligt werden kann“. Der Ludwigsburger Verein wolle versuchen, eine Umsetzung über das Programmende hinaus mittels Finanzierungen durch Drittmittelgeber zu ermöglichen. „Um die Option weiter zu verfolgen und eine mögliche Aufteilung der Finanzbedarfe auf die verschiedenen Geldgeber zu erörtern, werden die aktualisierten Finanzplanzahlen sehr zeitnah benötigt“, so die Sprecherin. Sollten Fristen im Einzelfall nicht eingehalten werden können, wolle man nach Lösungen suchen.

Wie die Ludwigsburger Chancen stehen, lässt das Ministerium im Ungefähren: „Der Zeitpunkt einer Bewilligung des Vorhabens hängt von dem Zeitpunkt ab, zu dem alle Unterlagen vorliegen, erst dann lässt sich abschließend bewerten, ob das Projekt bis 2024 umsetzbar ist und gefördert werden kann“, so die sibyllinische Antwort.

Alle erforderlichen Unterlagen hatte Frauen für Frauen zwar bereits im Frühjahr 2022 eingereicht, jetzt soll der Verein aber nochmals eine detaillierte Kalkulation der inzwischen stark gestiegenen Baukosten liefern – am besten sofort. „Es ist extrem unangenehm für uns, beim Eigentümer jetzt drängeln zu müssen. Wir selbst können diese Kalkulation ja nicht erstellen“, sagt Arezoo Shoaleh vom Verein Frauen für Frauen. Dabei habe der Eigentümer ohnehin schon „eine Eselsgeduld und ein großes Herz“.

Die Drähte laufen heiß

Ob das Haus überhaupt noch länger vorgehalten werden kann, wenn sich das ganze Prozedere bei offenem Ausgang noch auf unvorhersehbare Zeit hinzieht, ist unklar. „Wir geben aber nicht auf und tun alles, was möglich ist, um die Förderung für das zweite Frauenhaus zu bekommen“, sagt Shoaleh. Die Drähte würden jetzt heiß laufen, man hoffe auch auf die Hilfe der Bundestagsabgeordneten, von denen sich bisher vor allem Steffen Bilger (CDU) sehr eingesetzt habe.

Katrin Lehmann hat derweil klare Forderungen: „Das Bundesförderprogramm muss deutlich verlängert, nicht abgerufene Mittel müssen übertragen werden.“ Im ersten Jahr etwa seien statt 30 nur vier Millionen ausbezahlt worden. „Wo ist der Rest hin? Wie viel von den großspurig angekündigten 120 Millionen wirklich in Frauenhausförderung geflossen ist, sagt einem keiner.“