"Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe", heißt es in der Bibel (Buch Genesis, 1,2): So wie heute die aktive Vulkanlandschaft auf Hawaii könnte es im Hadaikum, dem ersten Äon der Erdgeschichte, ausgesehen haben. Foto: Imago/Stock Trek Images

Vor rund 4,5 Milliarden Jahren entstand die Erde. Wer waren ihre frühesten Lebewesen und ab wann existierten sie? Niederländische Forscher haben den ersten gemeinsamen Vorfahren aller irdischen Organismen ausfindig gemacht. Er könnte den blauen Planeten schon kurz nach dessen kosmischer Geburt besiedelt haben.

Nach ihrer Entstehung vor 4,55 ± 0,05 Milliarden Jahre kreiste die Urerde als toter Gesteinsbrocken um die Sonne. In dieser glühend heißen Ödnis inmitten der unendlichen Weiten des Weltalls entwickelte sich aus chemischen Prozessen das erste Leben.

Dieses Urleben war das älteste Glied in der endlosen Kette der Evolution, der Urahn und Urvater aller heutigen Lebewesen. Wissenschaftler haben ihn LUCA getauft – „Last Universal Common Ancestor“, den Letzten universellen gemeinsamen Vorfahren.

Wann entstand LUCA?

Der Ursprung von LUCA liegt in der Chemie: Verschiedene chemische Bauteile verbanden sich auf der Proterde zu neuen biochemischen Stoffen wie DNA, RNA und Proteine, den Grundbausteinen des Lebens. Aus diesen Prozessen bildeten sich die ersten Eukaryoten. Foto: Imago/Pond5 Images

Nach dieser sogenannten monophyletischen (griechisch für einstämmig) Abstammungslehre lassen sich alle Daseinsformen auf der Erde – Menschen, Tiere, Pflanzen, Pilze und einzellige Formen - auf eine einzige Urform zurückführen. In allen bisherigen Theorien zur Evolution des Lebens auf der Erde ist man davon ausgegangen, dass LUCA vor 3,5 bis 3,8 Milliarden Jahren – also im späten Hadaikum oder frühen Archaikum, dem ersten Äon der Erdgeschichte – entstanden ist.

Ist LUCA vielleicht sogar noch älter? Diese Frage hat Forscher um Tara Mahendrarajah vom Koninklijk Nederlands Instituut voor Onderzoek der Zee (NIOZ, Königliches Niederländisches Institut für Meeresforschung) auf der Insel Texel umgetrieben.

Die Wissenschaftler gehen inzwischen davon aus, dass der Urahn aller terrestrischen Evolution sehr viel früher existiert haben könnte - nämlich vor 4,32 bis 4,52 Milliarden. Und damit kurz nach der Entstehung unseres Planeten, wie sie im Fachmagazin „Nature“ („ATP synthase evolution on a cross-braced dated tree of life“) berichten.

Was war LUCA?

Schwarze und Weiße Raucher (englisch Black/White Smoker) gehören zu den hydrothermalen Quellen am Grund der Tiefsee. Hier tritt heißes Wasser, das verschiedene Stoffe in Lösung enthält, aus und vermischt sich mit dem kälteren Umgebungswasser. Foto: Imago/United Archives International
Die extremen Umweltbedingungen, wie sie in den hydrothermalen Feldern der Tiefsee herrschen, lassen an die Verhältnisse in der frühen Erdgeschichte denken, in denen Evolutionsbiologen den Ursprung des irdischen Lebens sehen. Foto: Imago//United Archives International

Der Ursprung von LUCA liegt in der Biochemie. Verschiedene chemische Bauteile verbanden sich auf der Urerde zu neuen biochemischen Stoffen wie DNA, RNA und Proteine, den Grundbausteinen des Lebens, wie wir es kennen. Aus diesen Prozessen bildeten sich die ersten Eukaryoten.

Diese Einzeller bilden neben Bakterien und Archaebakterien (sogenannten Prokaryoten, Lebewesen ohne Zellkern) eine von drei großen Organismen-Gruppen, die sich im Verlauf der Evolutionsgeschichte entwickelt haben. Charakteristisches Kennzeichen der Eukaryoten sind ihre komplex aufgebauten Zellen mit Zellkern und verschiedenen Organellen, die Organe der Zelle darstellen.

Wovon ernährte sich LUCA?

Diese Ur-Eukaryoten ernährten sich von Gasen und liebten es heiß. Ihren Energiebedarf deckten sie aus einfachen biochemischen Reaktionen ohne Hilfe von Sonnenlicht und Sauerstoff. Als Nahrung dienten den Ur-Einzellern Kohlendioxid, Wasserstoff und Stickstoff.

Außerdem benötigte LUCA Metalle wie Eisen und Nickel sowie andere Elemente wie Schwefel und Selen für den Stoffwechsel. So gediehen die ersten Einzeller bei Temperaturen um 100 Grad Celsius in Hydrothermalquellen in der Tiefsee etwa im Atlantik, wo sie wahrscheinlich geochemische Energiequellen anzapften.

Woher bekam LUCA seine Energie?

Chemische Strukturformel von Adenosintriphosphat (ATP). Foto: Imago/Shotshop

Die Ur-Eukaryoten waren bereits in der Lage, den Energieträger Adenosintriphosphat (ATP) herzustellen. ATP ist ein chemisches Molekül, das in jeder Zelle eines Lebewesens Energie bereitstellt. Dieses biologische und biochemische Basiswissen brachte die niederländischen Forscher auch darauf, dass LUCA älter sein könnte als bislang angenommen.

Ihre Ausgangsidee: Alle heutigen Organismen auf der Erde besitzen mindestens eine Variante der sogenannten ATP-Synthase - also einem Enzym, das den zellulären Energieträger Adenosintriphosphat herstellt.

Synthasen sind in der Biochemie Enzyme – gemeint sind biochemische Katalysatoren -, welche die Synthese bestimmter Stoffe katalysieren (das heißt: ermöglichen und beschleunigen). Als Synthese wird ein biochemischer Vorgang bezeichnet, bei dem aus verschiedenen Elementen eine Verbindung oder ein komplizierter zusammengesetzter neuer Stoff entsteht.

Folglich muss auch LUCA als Urahn allen Lebens zur ATP-Synthese fähig gewesen sein.

Was kam nach LUCA?

So könnte der Urstamm des Lebens nach Ansicht drniederländischen Forscher ausgesehen haben. Foto: © Tara Mahendrarajah

Die Wissenschaftler von der Insel Texel haben die Genese der ATP-Synthasen bis tief in die Frühzeit der Erde zurückverfolgt, um schließlich jenen Zeitpunkt zu finden, an dem die verschiedenen Varianten zusammenlaufen. So konnten sie relativ exakt datieren, wann LUCA einst lebte und wann sich die verschiedenen Organismusgruppen vom Urstamm des Lebens abspalteten.

Das Ergebnis dieser Reise in die Urgeschichte unseres Planeten ist in der Tat sensationell. Der Datierung zufolge muss LUCA schon kurz nach der Entstehung der Erde vor 4,32 bis höchstens 4,52 Milliarden Jahren entstanden sein. Bisher galten Archaeen als die älteste Organismen-Gruppe, gefolgt von Bakterien.

Archaeen sind wie Bakterien einzellige Mikroorganismen ohne echten Zellkern. Gemeinsam werden sie als Prokaryoten bezeichnet. Sie sehen sich auf den ersten Blick ähnlich, unterscheiden sich jedoch in ihren Zellstrukturen grundlegend. Die ältesten Archaeen existierten vor 4,05 bis 4,49 Milliarden Jahren.

Nun könnten die einzelligen Eukaryoten ihnen den ersten Rang in der Hierrachie des Lebens - sprich LUCA - abgelaufen haben.