Die Fassade des Alten Schlosses in Stuttgart diente als Projektionsfläche. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Eine große Lichtinstallation am Alten Schloss in Stuttgart erinnerte an die Opfer der rassistischen Morde vor vier Jahren in Hanau.

Leuchtende Zeichen der Erinnerung: Am 4. Jahrestag der rassistischen Morde von Hanau sind am Montagabend von 18 Uhr bis Mitternacht die Gesichter und Namen der Getöteten an die Fassade des Alte Schlosses projiziert worden. Wie in den beiden Jahren zuvor hatte sich der Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen für diese Form des Gedenkens entschieden. „Die Botschaft ist: Wir dürfen die Opfer von Hanau nicht vergessen!“, erklärte der Verband. Die Projektion haben den Charakter einer „vorübergehende Gedenkstätte“ und solle einen „kollektiven Moment schaffen, der zum Innehalten, Gedenken und Erinnern aufruft“. Der Aufruf fand Widerhall: Knapp 200 Menschen versammelten sich vor dem Alten Schloss. Den Auftakt des Gedenkens bildete eine Schweigeminute für alle Opfer rechtsextremer Gewalt.

„Der Schatten des Rechtsextremismus liegt über unserer Gesellschaft“

Am 19. Februar 2020 hatte ein 43-Jähriger im hessischen Hanau neun Menschen mit Migrationsgeschichte erschossen: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst. An vielen Orten in Deutschland wurde in den vergangenen Tagen an den rassistisch motivierten Anschlag erinnert und der Opfer gedacht. Teil der Lichtinstallation am Alten Schloss waren auch politische Forderungen: „Wir fordern Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen“, war an der Fassade zum Schlossplatz hin zu lesen.

Dejan Perc, Vorsitzender des Landesverbands der kommunalen Migrantenvertretungen und SPD-Stadtrat, nannte den Anschlag von Hanau einen „Akt des Hasses“, der die Gesellschaft zum Handeln auffordere. Es sei die gemeinsame Verantwortung, gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit aufzustehen und eine Kultur des Respekts zu pflegen. Perc betonte, Hanau sei kein isoliertes Ereignis: „Der Schatten des Rechtsextremismus liegt über unserer Gesellschaft.“

Der Sozialminister betont: „Vielfalt ist eine zentrale Stärke unserer Gesellschaft“

In einer Videobotschaft nannte Manne Lucha (Grüne), Minister für Soziales, Integration und Gesundheit, den Anschlag von Hanau „eine Schande für unser Land“. Man werde nicht zulassen, dass sich der Rechtsextremismus ausbreite: „Wir schweigen nicht und verteidigen unsere Demokratie.“ Lucha betonte: „Vielfalt ist die zentrale Stärke unserer Gesellschaft. Darauf sind wir stolz.“

Werner Schretzmaier, Intendant des Theaterhauses, nutzte die Fläche vor dem Alten Schloss wie eine Bühne. Er berichte von einem Besuch in Hanau, wo am Wochenende mehrere Tausend Menschen zu einer Kundgebung zusammengekommen waren, um der Opfer zu gedenken und Konsequenzen zu fordern. Der 80-Jährige hat sich nach seinen Worten Intensiv mit den Ereignissen vom 19. Februar 2020 beschäftigt und kommt zu der Erkenntnis: „Es hat am Willen gefehlt, das zu verhindern und aufzuklären.“ Bis heute habe die Politik keine Verantwortung übernommen, „obwohl es danach schreit“. „Hanau ist überall“, warnte er.

Der Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen vermisst Konsequenzen aus dem Anschlag. Foto: Lichtgut/Max/ Kovalenko

Schretzmaier hat den rassistischen Anschlag in einem Theaterstück mit dem Titel „And now Hanau“ verarbeitet, das seit September vergangenen Jahres im Theaterhaus zu sehen ist. Die Abende im Februar sind ausverkauft. Weitere Vorstellungen sind für März und April geplant. „Es ist unsere Pflicht, das zu machen“, sagte er. Gleichzeitig wies er auf eine Ausstellung im Württembergischen Kunstverein hin („Three Doors“), die sich ebenfalls mit den Geschehnissen von Hanau beschäftigt und vom 16. März an zu sehen ist.

Die Mutter eines der Getöteten meldet sich mit einer Audiobotschaft

Eindrücklich fielen die Worte von Serpil Unvar aus, der Mutter von Ferhat Unvar, einem der Ermordeten. In einer Audiobotschaft warb sie dafür, sich „stark zu machen gegen Rechtsradikale“ und sich für die Bildung von Jugendlichen zu engagieren. „Wir werden nie aufhören, ihre Stimme zu sein“, sagte sie. Nach dem gewaltsamen Tod ihres Sohnes hat sie die nach ihm benannte Bildungsinitiative Ferhat Unvar gegründet. Deren Vertreter beklagte in seiner Rede Versäumnisse der Politik und warb dafür, konsequent gegen Rassismus vorzugehen: „Antirassismus kann man lernen.“