Vincenzo Nuzzi mit seiner Partnerin Jennifer Cianci in Noemi’s. Foto: Simon Granville

Bei Wind und Wetter sitzen Gäste von Noemi’s auch draußen. Bei Bedarf in Anorak und Mütze gehüllt, sind sie im Gespräch – erzählen von Alltäglichem und dem Besonderen. Mittendrin der Wirt Vincenzo Nuzzi.

Sommer, Sonne, laue Nächte. Lachen, reden, Stimmengewirr. Sonnenbrillen, luftige Kleidung. Urlaub. Italien. All das lässt sich erleben in der Marktstraße. Dolce Vita und Müßiggang inmitten einer schwäbischen Kleinstadt, die geprägt ist von global agierenden Konzernen, die in Ditzingen und zugleich im US-amerikanischen Silicon Valley präsent sind? Im Noemi’s Espressino wird das gelebt – bei Wind und Wetter.

Ein Espresso an der Bar

Mehrere Männer, Rentner, sitzen draußen. Im Anorak, manche mit Mütze. Der Espresso steht vor ihnen, in ihrer italienischen Muttersprache lassen sie das Wochenende Revue passieren. Derweil eilt eine Frau mittleren Alters in den Gastraum, bestellt an der Bar einen Espresso, trinkt ihn, eilt weiter. Einen Euro kostet das Tässchen, wenn man trinkt, ohne sich zu setzen. „Da ist Italien drin“, sagt der Chef Vincenzo Nuzzi. Die Gäste kommen, bestellen einen Espresso und gehen wieder. Sie fühlen sich wie in Italien. „Das ist die beste Werbung für uns. Zumal, wenn die Gäste am Abend wiederkehren – dann auf einen Caipirinha.“

Vom Autohaus ins Café

Nuzzi hatte Karriere in einem Autohaus gemacht, war Verkaufsleiter, ehe er die Reißleine zog, wie er sagt. Er wollte Zeit für seine Familie haben, ließ den Anzug fortan im Schrank hängen und machte sein Hobby zum Beruf. „Die Geräuschkulisse, klappernde Tassen, das mochte ich als Kind schon“, erzählt der 47-Jährige. Dazu kam, dass sein Vater oft in einer Bäckerei saß und dort seinen Kaffee trank. Mit dem Flair, mit dem sein Vater in Italien groß geworden war, habe das wenig zu tun gehabt. So kam eins zum anderen: Nuzzi eröffnete das Noemi’s – benannt nach seiner Tochter – in der Marktstraße. „Es gab keinen anderen Standort in Ditzingen“, sagt er über die Lage. Zugleich war der Ort nicht der schlechteste, mitten in der Kernstadt, dort, wo er früher seine Schulhefte kaufte, für die Eltern zudem die Hörzu, für sich die Bravo. Hier wollte er nun Gardasee-Urlaubsstimmung lebendig werden lassen.

Im Oktober 2019 eröffnete er, die Räume waren kernsaniert, die Theke eingebaut, seine Partnerin Jennifer Cianci und er hatten eine Baristaschulung gemacht. Draußen standen neun Stühle, ein Schirm. „Wir haben die Tür aufgemacht und nicht gewusst, was uns erwartet.“ Nach und nach haben sie in ihrem Café verwirklicht, was ihnen andernorts gefallen hatte, wenn sie unterwegs waren. „Wir wollten Klein-Italien hier haben“ Sie wollten Urlaubsflair bieten, die Gäste sollten vom Alltag abschalten können, zugleich wollten sie die Tradition bewahren.

Heute ist Nuzzi immer wieder in Italien, bei seiner Großfamilie, bringt von dort auch Gewürze und anderes mit, was sein gastronomisches Angebot ausmacht. Er bietet Pizza, Panini, Arancini, Crêpes und die Frühstückskarte enthält italienische Hörnchen, gekauft bei einem nahen Händler.

Inzwischen bietet das Noemi’s innen wie außen deutlich mehr Plätze als zu Beginn, zehn sind es innen und zwölf außen. Mit der Erweiterung soll die Örtlichkeit am Morgen als Frühstückscafé genauso funktionieren, wie am Abend als Bar. Nuzzi will dabei alle Generationen ansprechen, den einzelnen Gast genauso wie die Familien. Für Anregungen sei er immer offen, erzählt er. Für die Kinder gibt es schon heute einen Kindercappuccino – Kakao. Und auch Vierbeiner sind willkommen: der Wassernapf für den Hund ist selbstverständlich.

Der 47-Jährige und seine 35-jährige Partnerin Jennifer Cianci haben inzwischen fünf festangestellte Mitarbeiter, etliche Aushilfen, 25 Mitarbeiter insgesamt. 365 Tage im Jahr ist geöffnet.

Offen blieb das Café auch während der Pandemie. „Wir haben mit Mütze und Jacke bedient“, sagt Nuzzi. Nicht geschlossen zu haben, das zahlte sich aus. Die Gäste blieben treu. „Da ist sehr viel Dankbarkeit dabei.“

Inzwischen ist er bekannt – und kandidiert für die CDU bei der Kommunalwahl. Als es massive Schwierigkeiten mit kriminellen Kindern und Jugendlichen in der Innenstadt gab, Unbescholtene Opfer von Raub und Körperverletzung wurden, suchten diese bei ihm Schutz. „Das Noemi’s wurde zur Anlaufstelle“, sagt Nuzzi nur. So wie noch ein, zwei andere Gastrobetriebe im Ort, ist er für das soziale Miteinander im Ort wichtig. Inzwischen treffen sich hier zudem regelmäßig Senioren, Hausverwaltungen laden zur Eigentümerversammlung und Schüler machen ihr Praktikum. „Wir haben 20 bis 25 Praktikanten im Jahr“, sagt Nuzzi über die Siebt- bis Neuntklässler. Manch einer bleibt später als Aushilfskraft.