Katars Hauptstadt Doha wartet auf den Start der Fußball-Weltmeisterschaft. Das Sportereignis ist umstritten wie nie – in der ganzen Welt. Foto: IMAGO/Laci Perenyi

Unsere Autoren Oliver von Schaewen und Marius Venturini haben sich diese Frage gestellt. Sie kommen zu einem ganz unterschiedlichen Ergebnis: ein „Pro und Kontra“.

Soll man im Fernsehen Spiele der Fußball-WM in Katar verfolgen? Und sich gar an dem Wettbewerb erfreuen? Unser Autor Oliver von Schaewen meint Ja und Marius Venturini sagt klar Nein.

Die Freude am WM-Spiel darf sein

Fußball zu schauen ist schön – aber auch Zeitverschwendung. Völlig überbezahlten Profikickern Lebenszeit zu schenken, hält von Wichtigerem ab. Zum Beispiel, sich für Amnesty International hinzusetzen und an die Scheichs zu schreiben, einen politischen Häftling freizulassen. Insofern könnte ein persönlicher WM-Fernsehboykott tatsächlich Kräfte freisetzen.

Die Realität in den meisten Wohnstuben dürfte anders ausschauen. Der Griff zur Fernbedienung ist gesetzt – und nur auf einen anderen Knopf zu drücken, um nicht Fußball zu schauen, wird einen Scheich im Wüstenstaat bei bereits abgeschlossenen Verträgen mit der Fifa und den Fernsehsendern ungefähr so viel jucken wie ein Korn Sand unter dem großen Zeh.

Freilich lässt sich das Dilemma nicht wegdiskutieren. Die Fußball-WM findet in einem Land statt, das Menschenrechte missachtet. Schuld daran sind aber nicht die Fans, sondern raffgierige Funktionäre. Wer Fußball als unterhaltsame Mischung aus Spielkunst, Show und Starkult liebt, sollte sich kein schlechtes Gewissen einreden lassen, wenn er sich ein WM-Match anschaut. Denn sich die Freude etwa an den Begegnungen der deutschen Fußballnationalmannschaft nicht nehmen lassen zu wollen, heißt nicht automatisch, die Zustände in Katar zu unterstützen. So stiften Gespräche über Fußball oder Tippspiele in Betrieben und Vereinen Gemeinschaft. Wenn dabei das Thema „Was kann ich persönlich für Menschenrechte tun?“ anklingt, umso besser.

Ich persönlich werde die Spiele der Mannen um Hansi Flick verfolgen, aber Maß halten und andere WM-Übertragungen meiden. Das aber nicht, weil ich denke, ein solcher Boykott wäre effektiv, sondern weil Wichtigeres in meinem Leben wartet.

Freude kann keine aufkommen

Es gibt Wichtigeres als Fußball, das ist korrekt. Aber vieles von dem, was im Sport mit dem runden Leder im weltweiten Vergleich abgeht, hat mit meinem Verständnis von Fußball sowieso nur noch sehr wenig zu tun – außer, dass 22 Leute auf einer Wiese einem Ball nachjagen. Aber bloß mit der „Traditionskeule“ eine WM-Vergabe nach Katar platthauen zu wollen, das wäre dann doch zu einfach.

Ja, auch ich habe zum Beispiel das „Sommermärchen“ im Jahr 2006 ausgiebig mitgefeiert. War eine tolle Zeit. Aber sind wir ehrlich: Inzwischen hört der Fan von Fifa, von Uefa und auch vom DFB nur noch selten Nachrichten, bei denen er denkt: „Jawohl, das hilft dem Sport in seiner Gänze weiter.“ Schon Turniere in Südafrika oder Brasilien ließen zumindest eine Augenbraue zweifelnd nach oben wandern. Und inzwischen dominieren Berichte über Stimmenkäufe, dubiose Strukturen und erwiesenermaßen kriminelle Machenschaften, die in ihrer Schamlosigkeit sogar der Mafia peinlich wären. Das Ganze mündet dann in der Vergabe einer WM in einen Staat, der mit Öl-Milliarden um sich wirft. Und wie wir inzwischen wissen, war auch das Turnier in Deutschland gekauft. Und wahrscheinlich, wer weiß das schon, auch schon Turniere vorher.

All das – und wir reden hier noch nicht einmal von Menschenrechten, vom Elend der Gastarbeiter oder von Anti-LGBTQ-Tiraden des Katarischen WM-Botschafters – lässt bei mir als Sportredakteur nicht nur kein WM-Feeling zu. Schlimmer noch: Der Blick auf feiernde Fans in den Katarischen Arenen, egal bei welchem Spiel, dürfte meine verbliebenen Haare noch schneller ergrauen lassen, als es schon der Fall ist. Da schaue ich mir lieber ein Bezirksligaspiel an. Ups, da war sie doch wieder, die „Traditionskeule“.