Fairtrade-Produkte haben 2022 einen Umsatzsprung von zwölf Prozent gemacht. Das lag aber vor allem an Preissteigerungen. Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Der Umsatz fair gehandelter Produkte in Deutschland springt nach oben. Doch die Erzeuger im globalen Süden haben davon kaum etwas.

Für den fairen Handel hätte es 2022 schlimmer kommen können, finden Andrea Fütterer und Matthias Fiedler. Wegen inflationsbedingter Preissteigerungen hatten die Chefin und der Geschäftsführer des Forums Fairer Handel vor Jahresfrist in ihrer Branche noch Einbrüche befürchtet. Die blieben aus. Um fast zwölf Prozent auf fast 2,2 Milliarden Euro und damit erstmals über die Zwei-Milliarden-Schwelle seien die Umsätze voriges Jahr für fair gehandelte Produkte gestiegen, freut sich Fiedler.

Steigender Umsatz, sinkender Absatz

Geschuldet sei das aber hohen Preisaufschlägen, räumt er gleich ein. Mengenmäßig war 2022 für wichtige Fairhandelsprodukte gar rückläufig. Das trifft vor allem auf Kaffee zu. Er steuert gut ein Drittel aller Umsätze bei. Um zwei Prozent auf unter 27 000 Tonnen ist die Absatzmenge gesunken und damit der Marktanteil im Vergleich zu herkömmlich gehandeltem Kaffee von gut sechs auf 5,6 Prozent.

Ähnlich ist es fair gehandelter Schokolade mit Kakao als wichtiger Zutat gegangen. „Von Entspannung kann überhaupt keine Rede sein“, sagt Fütterer mit Blick auf Kleinbauern aus Lateinamerika, Afrika oder Asien. Denn von stark steigenden Preisen in deutschen Lebensmittelläden hätten Erzeuger im globalen Süden nicht viel.

Kostenexplosion in den Erzeugerländern

Das gelte vor allem, wenn man auf dort extrem steigende Lebenshaltungs- und Betriebskosten blicke. So hätten sich in Ostafrika die Preise für Kartoffeln und Bohnen verdoppelt. Gleiches gelte für Dünger oder Treibstoff in Mittelamerika. Zugleich erreichten Ernteausfälle durch den Klimawandel im globalen Süden Katastrophenwerte von bis zu 90 Prozent. „Wir leben noch“, seien übliche Signale aus Erzeugerländern von Kaffee, Bananen oder Kakao.

Umso wichtiger sei es, über fairen Handel zu existenzsichernden Preisen auf Erzeugerebene zu kommen, betonen Fütterer und Fiedler. So wurde für Rohkakao, dessen Produkte hierzulande unter dem Gepa-Siegel verkauft werden, in den vergangenen Jahren ein Viertel mehr als der durchschnittliche Weltmarktpreis bezahlt. Die Preise für Rohkaffee liegen dagegen aktuell an der New Yorker Kaffeebörse unter denen, die das Forum Fair Trade als für Kleinbauern kostendeckend berechnet hat. An anderen Stellen der Wertschöpfungskette vom Groß- bis zum Einzelhandel in Deutschland werde dagegen klotzig verdient. „Wir steuern auf einen globalen Kipppunkt des sozialen Ungleichgewichts zu“, findet Fiedler. Die Folgen seien absehbar noch mehr Armut, Landflucht und Migration im globalen Süden.

Der Handel streicht laut Forum Fairer Handel das Geld ein

Hoffnung macht beiden Fairhandelsprofis der deutsche Verbraucher. Immerhin 70 Prozent hätten in einer aktuellen Umfrage bekundet, mindestens gelegentlich und gezielt fair gehandelte Produkte zu kaufen. Im Schnitt habe jeder Deutsche 2022 knapp 26 Euro dafür ausgegeben. Vor allem bei Menschen unter 40 Jahren verfestige sich ein Trend zu verantwortungsbewusstem Konsum, was Hoffnung für die Zukunft mache.

Verbraucher allein könnten es aber nicht richten, stellen Fütterer und Fiedler klar. Deshalb suchen sie das Gespräch mit dem deutschen Lebensmitteleinzelhandel, wo vier große Ketten mehr als 80 Prozent des Markts kontrollieren. Sie sollen freiwillig dazu gebracht werden, unfaire Handelspraktiken wie Einkauf unter Erzeugerkosten zu beenden. „Die Gespräche stehen noch am Anfang, es ist heikel“, sagt Fütterer dazu nur.