Donald Trump hat auf der Plattform X – ehemals Twitter – immer noch Millionen Fans. Foto: AFP/CHRIS DELMAS

Dass ein Ex-Präsident sich mehrerer Anklagen erwehren muss, ist in der Ära Trump fast zur Normalität geworden. Dass er aber im Gefängnis erscheinen und für ein Polizeifoto posieren muss, sticht selbst in diesen Zeiten heraus. Der Republikaner nutzt das für sich.

Donald Trump starrt mit finsterer Miene in die Kamera. Die Augen geradeaus gerichtet, die Lippen aufeinander gepresst, die Stirn in Falten gelegt. Der Ex-US-Präsident wirkt fast wie ein Film-Bösewicht. Trump trägt wie üblich ein dunkelblaues Jackett, ein weißes Hemd und eine rote Krawatte.

Nur eines ist anders als sonst: Neben Trumps blondem Schopf prangt oben links im Bild das Emblem eines Sheriff-Büros in Atlanta. Es ist das historisch einmalige Polizeifoto des einst mächtigsten Mannes der Welt - aufgenommen im berüchtigten Gefängnis von Fulton County.

Rückkehr zu Twitter – beziehungsweise X

Der republikanische Präsidentschaftsbewerber musste sich dort am Donnerstagabend (Ortszeit) den Behörden stellen, nach einer Anklage gegen ihn rund um versuchten Wahlbetrug. Kurz nachdem er das Gefängnis wieder verließ, nutzte der 77-Jährige das denkwürdige Polizeifoto, um mehr als zweieinhalb Jahre nach seinem letzten Twitter-Eintrag zur Nachfolgeplattform X zurückzukehren. Dort postete er das Bild ohne Polizei-Emblem, dafür mit der Parole: „Niemals aufgeben!“

Trump hatte bereits die vorherigen Anklagen gegen ihn für Wahlkampfzwecke genutzt, um seine Basis zu mobilisieren und Spenden zu sammeln. Mit Erfolg. Das beispiellose Polizeifoto aus Atlanta bietet ihm nun das Märtyrer-Bildnis zu seiner Darstellung, die Strafverfolgung gegen ihn sei nichts als der Versuch seiner politischen Gegner, ihn an einer zweiten Amtszeit zu hindern.

Gleich vier Anklagen gegen Ex-Präsidenten

Trump ist der erste Ex-Präsident der Vereinigten Staaten, gegen den Anklage erhoben wurde. Nicht ein Mal, sondern gleich vier Mal. Nun ist Trump auch der erste Ex-Präsident der in einem Gefängnis vorstellig werden musste und von dem ein Polizeifoto gemacht wurde. In den drei anderen Fällen in New York, Miami und Washington, in denen der Republikaner angeklagt wurde, hatten die Behörden auf ein solches Bild verzichtet. Das Foto aus Atlanta dürfte nun in die Geschichte eingehen.

In der Hauptstadt von Georgia ist Trump gemeinsam mit 18 weiteren Beschuldigten angeklagt wegen seiner Versuche, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 in dem Bundesstaat zu beeinflussen. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Republikaner und den anderen Angeklagten eine Frist bis zu diesem Freitag gesetzt, um sich aus freien Stücken bei den Strafverfolgungsbehörden in Atlanta zu melden. Trump kam dem am Donnerstagabend nach. Die Behörden in Atlanta gewährten ihm dabei aber - anders als jene in den anderen Strafverfahren - keine Ausnahmeregelungen.

Ein berüchtigtes Gefängnis

Mit großer Entourage erschien Trump im Bezirksgefängnis in Atlanta, ließ die Formalia und das Foto über sich ergehen. Etwa 20 Minuten später verließ seine Wagenkolonne das Gefängnisgelände wieder. Trump reiste kurz darauf mit seinem privaten Flugzeug aus Atlanta ab - nicht aber, ohne sich vor dem Einsteigen in die Maschine noch einmal bitterlich über die Strafverfolgung gegen ihn zu beklagen.

Das Fulton County Gefängnis in Atlanta, wo Trump erscheinen musste, ist nicht irgendein Ort. Die Haftanstalt ist berüchtigt. Das US-Justizministerium leitete im Juli eine Untersuchung zu den Haftbedingungen dort ein, nachdem ein Häftling bedeckt mit Läusen und Dreck in einer Zelle gestorben war und andere dramatische Berichte aus dem Inneren des Gefängnisses an die Öffentlichkeit gelangten: von Gewaltexzessen, massenhaft kursierenden Waffen, ominösen Todesfällen und einem Verfall des Gebäudes.

Polizeifoto vorläufiger Höhepunkt der Anklageserie

Dass der 45. Präsident der USA genau an diesem Ort auflaufen muss, um nach einer Anklage seine Personalien aufnehmen zu lassen, hat bereits eine neue Qualität in der Außenwirkung. Für das Polizeifoto gilt das umso mehr. Es ist der vorläufige Höhepunkt in einer bislang einmaligen Anklageserie gegen den ehemals ersten Mann im Staat. Und auch ein Fingerzeig für Trump, was ihm womöglich bevorstehen könnte.

Eine Rückkehr nach langer Zeit

Trump zeigt sich gerne in einer Pose wie auf dem Polizeibild - will entschlossen, kraftvoll, unnachgiebig wirken. Er mag es nicht, schwach auszusehen. Es ist seine Art, eine eigentlich prekäre rechtliche Lage umzumünzen und politisch für sich auszuschlachten. Dass er eben dieses Bild als Anlass wählt, um sich mit einem Knall beim Twitter-Nachfolger X zurückzumelden, passt in sein Muster.

Trump war auf Online-Plattform gesperrt

Gegen Ende seiner Amtszeit war Trump bei großen Online-Plattformen gesperrt worden, nachdem seine Anhänger am 6. Januar 2021 den Sitz des Parlaments in Washington gestürmt hatten - eben wegen seines Feldzuges gegen den Wahlausgang 2020, der ihm auch die Anklage in Georgia einbrachte.

Vor dem beispiellosen Gewaltausbruch damals hatte Trump seine Anhänger angestachelt mit der haltlosen Behauptung, er sei durch Betrug um den Sieg bei der Präsidentenwahl 2020 gebracht worden. In seinen Online-Botschaften vor und nach der Kapitol-Attacke zeigte er offen Sympathie für die Randalierer. Die Plattformbetreiber befürchteten daher, dass es neue Gewalt geben könnte, wenn Trump nicht verbannt würde - und blockierten seine Accounts.

Trump hat noch immer Millionen Follower

Inzwischen hat Trump den Zugang zu allen großen Online-Diensten zurückbekommen, wo er noch immer Millionen Follower hat. Auf mehreren Kanälen meldete er sich zurück. Bei der Plattform Twitter, die seit kurzem X heißt, war er bis jetzt jedoch stumm geblieben. Stattdessen hatte er eine Twitter-Kopie aufgebaut, die Plattform Truth Social.

Bei Twitter war Trumps Account schon im vergangenen Herbst auf Betreiben des neuen Besitzers Elon Musk wieder freigeschaltet worden. Der bislang letzte Trump-Tweet dort stammte jedoch bis jetzt von Januar 2021. Vor und während seiner Amtszeit im Weißen Haus war Twitter das wichtigste Sprachrohr für Trump gewesen. Dort hatte er bis zur Sperre mehr als 80 Millionen Follower und erreichte weltweite Aufmerksamkeit mit seinen Botschaften.

Im aktuellen Wahlkampf könnte Trump eine größere Online-Reichweite nützlich sein. Bei Truth Social hat er nur sechs Millionen Abonnenten, bei X sind es noch immer mehr als 86 Millionen - trotz des langen Schweigens. Sein Beitrag dort wurde innerhalb kürzester Zeit hunderttausendfach geliked.