Wird es beim ESC in Malmö im Mai einen israelischen Beitrag geben? Foto: AFP/LAURIE DIEFFEMBACQ

Bezieht sich „October Rain“ von Eden Golan auf den 7. Oktober in Israel? Und wenn ja, ist das schlimm? Darüber ist eine Debatte entbrannt. Wie unpolitisch kann der ESC sein?

Wie politisch darf ein Song für den Eurovision Song Contest sein? Darüber ist eine Debatte entbrannt, seit bekannt wurde, dass die Europäischen Rundfunkunion (EBU) Israels Beitrag für den ESC prüfen lässt. Der Text von „October Rain“ der Sängerin Eden Golan könne so verstanden werden, als beziehe er sich auf den verheerenden Angriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober. Die Statuten sehen vor, dass die Lieder und Auftritte beim ESC politisch neutral sein müssen – Ausnahmen gab es aber immer wieder. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Worum geht es genau?

Eden Golan wird beim ESC in Malmö im Mai Israel mit dem Lied „October Rain“ vertreten. Die Sängerin, die in Israel geboren und in Russland aufgewachsen ist, singt den Song auf Englisch und Hebräisch. Besonders die Passage auf Hebräisch am Schluss brachte die ESC-Verantwortlichen offenbar zum Nachdenken. Auf Deutsch übersetzt bedeutet dieser Teil ungefähr: „Es gibt keine Luft mehr zum Atmen, keinen Platz.“ Bezieht sich der Song auf den Angriff der islamistischen Hamas, bei dem 1200 Menschen starben und etliche Israelis als Geiseln genommen wurden?

Was steht genau in den ESC-Statuten?

Dort heißt es: „Wenn ein Lied aus irgendeinem Grund als inakzeptabel eingestuft wird, haben die Sender die Möglichkeit, gemäß den Regeln des Wettbewerbs ein neues Lied oder einen neuen Text einzureichen.“. Die EBU ließ verlauten, dass sie den Text von „October Rain“ derzeit daraufhin prüft.

Wie reagiert Israel?

Israel erwägt nun eine ESC-Absage. Der öffentlich-rechtliche Sender Kan teilte mit, dass er „nicht die Absicht“ habe, Golans Lied zu ersetzen, sollte ihn die EBU ablehnen. Vielmehr würde das bedeuten, „dass Israel nicht am Wettbewerb teilnehmen“ könne. Derzeit sei man mit der EBU „im Gespräch“.

In Israel sorgt die Kontroverse für große Diskussionen. Der israelische Kulturminister Miki Zohar nannte die Aussicht auf einen Ausschluss „skandalös“. Golans Lied sei „bewegend“, schrieb er in den sozialen Medien. Es „drückt die Gefühle des Volkes und des Landes in diesen Tagen aus – und ist nicht politisch“.

Wie lange hätte Golan noch Zeit, den Text des Liedes zu ändern?

Bis zum 11. März. Dieser Tag ist die Deadline, bis dahin müssen alle Beiträge – Lied und Act – bei der EBU eingegangen sein. Derzeit sieht es aber nicht danach aus, als hätten die Israelis vor, den Song zu verändern.

Was ging der Diskussion um „October Rain“ voraus?

Bereits bevor klar war, welchen Song Israel genau ins Rennen schickt, gab es Forderungen (zum Beispiel von über 1000 Künstlerinnen und Künstlern aus Schweden), Israel wegen des Krieges im Gazastreifen vom ESC auszuschließen. Die EBU hatte dem eine Absage erteilt: Nicht Länder oder Regierungen würden beim ESC antreten, sondern öffentlich-rechtliche Rundfunksender in Person der von ihnen entsandten Sängerinnen, Sängern oder Bands.

Gab es in der Vergangenheit schon mal Ausschlüsse von Künstlern?

Ja. Zum Beispiel im Jahr 2021, als die belarussische Band Galasy ZMesta nicht zum ESC nach Rotterdam reisen durfte. Ihr Song mit Zeilen wie „Ich werde dir beibringen, nach der Melodie zu tanzen“ verhöhnte in den Augen vieler Menschen die Protestbewegung gegen Belarus’ Machthaber Alexander Lukaschenko. Die Band reichte noch einen zweiten Song ein, der ebenfalls gegen die EBU-Statuten verstieß. Schließlich fand der ESC 2021 ohne Belarus statt.

Gab es denn noch nie politische Lieder beim Eurovision Song Contest?

Das kann man nun ganz und gar nicht behaupten. In der Vergangenheit wurden beim ESC immer wieder Songs zugelassen, die eine politische Botschaft hatten. Wer würde sich nicht an Nicole erinnern, die 1982 den „Grand Prix Eurovision de la Chanson“, wie der Wettbewerb damals noch hieß, mit der Pazifismus-Hymne „Ein bisschen Frieden“ gewann?

Die Ukrainerin Jamala, die beim ESC 2016 ganz vorne landete, punktete mit dem Lied „1944“, das sich auf Stalins Deportation der Krim-Tataren bezieht. Die isländischen Band Hatari zeigte im Jahr 2019 bei der Punktevergabe die palästinensische Flagge, um gegen den Nahostkonflikt zu protestieren. Und „Stefania“, das Lied, mit dem das ukrainische Kalush Orchestra 2022 den ESC gewann, kann als Hymne auf Soldatenmütter interpretiert werden.

Auch der deutsche ESC-Sänger Isaak muss seinen Text ändern – warum das?

Der Grund dafür ist angesichts der „October Rain“-Debatte eher harmlos. Isaak muss seinen Song „Always On The Run“ entschärfen, weil darin der Kraftausdruck „Shit“ vorkommt.

Eine NDR-Sprecherin erklärte: „Laut EBU-Reglement ist das Wort ‚Shit’ verboten. Das war allen vorher bekannt – und damit klar, dass der Song im Falle einer Nominierung für den ESC entsprechend angepasst wird.“