Vom Radweg erst einmal auf die Treppe. Ein planerischer Schildbürgerstreich am Rosensteinpark in Stuttgart . Foto: LICHTGUT/Max Kovalenko

Unsere Redakteure listen auf, was ihre Lieblings-Absurditäten des Jahres 2023 auf dem Gebiet der Verkehrsplanung gewesen sind.

Bauen und Planen – das ist in Deutschland insbesondere beim Verkehr und da ganz besonders bei der Bahn ein weites und von vielen nicht nur juristischen Widerhaken geprägtes Feld. Unsere vier Autoren aus dem Team Stadtentwicklung/Infrastruktur/Verkehr haben als Jahresrückblick der besonderen Art ihre Lieblingsgeschichten und – Absurditäten von 2023 zusammengestellt. An diesen Texten wird ihrer Meinung nach, besonders deutlich, woran es in Deutschland beim Thema Infrastruktur hakt.

Bahnhof Merklingen

Auf der Alb kann es frisch werden – das war schon zur Eröffnung des Bahnhofes Schwäbische Alb/Merklingen im Dezember 2022 der Fall. Doch damals gab es zur Eröffnungsfeier ein beheiztes Festzelt samt Ochsenbraten und Blaskapelle. Ein Jahr später gibt es dort zwar eine der größten Ladestationen für E-Autos in Europa. Aber keinen warmen Unterstand für wartende Fahrgäste. Und die Deutsche Bahn schafft es, auch den eigentlich überschaubaren Pendelverkehr zwischen Wendlingen und Ulm im Verspätungsranking des Landes bisher nur ins Mittelfeld zu bringen. Da der eine oder andere Anschluss dann doch flöten geht, schmerzen die gesparten Euro für die Aufenthaltsqualität – auch wenn die Toiletten vollautomatisch funktionieren.

Die neuen Bahnnutzer auf der Alb sind glücklich über die Millionen, die investiert wurden. Aber mit ein paar Euro mehr und einem besseren Blick auf die Kunden würde sich die Investition noch mehr lohnen. Und dazu würden auch Fahrscheinautomaten gehören, an denen nicht gleich zwei Tarife gelten – für jede Fahrtrichtung einer. Andreas Geldner

Radweg am Rosenstein

Es ist ein kleiner Schritt für die Radler in Stuttgart – aber ein offensichtlich schier unüberwindbare Herausforderung für die die öffentliche Verwaltung. Ein wenige hundert Meter langer neuer Radweg würde die Waden der Zweiradfahrer deutlich schonen. Schon vor längerem gingen im Schatten von Schloss Rosenstein zwei ansprechend gestaltete Brücken in Betrieb, die den Neckar und die Schneise der Bundesstraße überspannen, und damit freie Fahrt für die Radler bieten – bis diese am Ende der Brücken ankommen, wo eine Treppe ihr Fortkommen jäh hemmt.

Das müsste nicht so sein. Denn am Hang entlang zieht sich das Asphaltband einer Baustraße, die längst ausgedient hat. Von deren Ende sind es nur wenige Meter bis zum bestehenden Wegenetz im unteren Schlossgarten. Wäre sie geschlossen, könnten Radfahrer aus Bad Cannstatt bis zum Schlossplatz radeln, ohne auch nur eine einzige Straße queren oder den Buckel am Rosenstein erklimmen zu müssen.

Stadt und Land befinden sich in intensiven Gesprächen, wie dem lange geplanten Vorhaben womöglich bis in der zweiten Jahreshälfte zum Durchbruch zu verhelfen sei. Noch sind Fragen des Denkmal- wie des Artenschutzes final zu klären. Christian Milankovic

Drohender Verkehrskollaps in der Neckarvorstadt

2023 drohte im Cannstatter Stadtteil Neckarvorstadt für gut eineinhalb Jahren ein übles Verkehrschaos. Betroffen waren die Anwohner der Krefelder Straße. Denn im Zuge der Umbaumaßnahmen für rund 200 Millionen Euro im Kraftwerk Münster, muss die Neckartalstraße stadtauswärts zwischen den Kreuzungsbereichen mit der Volta- und der Haldenstraße gesperrt werden. Dieser Straßenabschnitt wird für rund eineinhalb Jahre für den Baustellenverkehr benötigt. Als die Stadtverwaltung ihre Alternativroute präsentierte, traf die Bewohner der Krefelder Straße schier der Schlag: Der Verkehr stadteinwärts, laut Verwaltung sind das stündlich rund 1000 Fahrzeuge und etwa 80 Lastwagen, sollte ab der Haldenstraße über die schmale Krefelder Straße bis hin zur Voltastraße umgeleitet werden.

Irrsinn, so die Meinung des öko-sozialen Lagers des Gemeinderats. Alternativlos, so die Antwort der EnBW und der Verwaltung. Doch im Februar gab es Entwarnung. Die Stadtverwaltung hat auf die massive Kritik an dem Planungswahnsinn reagiert. Der Verkehr stadtauswärts und stadteinwärts bleibt in der Neckartalstraße – für beide Richtungen steht während der Bauzeit halt nur ein Fahrstreifen zur Verfügung. Warum die Verwaltung nicht gleich so plante, bleibt ihr Geheimnis. Uli Nagel