Grünfläche inmitten der Stadt. Foto: /Simon Granville

In Ditzingen wird in den Ferien erneut ein Areal an der Glems belebt. Die Erfahrung damit ist gut, die Stadt bleibt dennoch zurückhaltend.

Ein Platz mitten im Ort, zentral gelegen und doch ein wenig abgerückt von der Marktstraße, den Ladengeschäften, dem Autoverkehr; ein Platz, gelegen an der Glems, jenem Wasserlauf, der jahrelang unbeachtet sein Dasein fristete. Sollte man so einen Platz nicht stärker ins Bewusstsein der Bürger rücken, ihn zu einer Aufenthaltsfläche in der Ortsmitte machen, im historischen Kern Ditzingens? Lange hatte der Gemeinderat darum gerungen, hatte Entscheidungen getroffen, die er später in Kenntnis erster gesammelter Erfahrungen revidierte. Und heute? „Es läuft richtig, richtig gut“, sagt der Ditzinger Rathaussprecher Jens Schmukal. Um im selben Atemzug anzumerken. „Der Platz ist aus einer gewachsenen Situation heraus entstandnen. Wir wollen ihn weiterentwickeln, ihn aber nicht jeden Tag bespielen.“

Die Ambivalenz ist geblieben. Das Neue, um das so gerungen, auch kontrovers gestritten wurde, muss langsam wachsen. Schließlich soll der Platz von allen Generationen auch angenommen werden.

Der Platz ist ein Beispiel dafür, wie Kommunen versuchen, ihre Innenstädte lebenswerter zu machen. Wenn einerseits immer dichter bebaut wird, gewinnt andererseits der Freiraum immer mehr an Bedeutung. So sehr die Kommunalpolitiker parteiübergreifend für das übergeordnete Ziel – dem Plus an Lebensqualität – stehen, so schwer tun sie sich mit der Umsetzung.

Die Veränderungen im Vergleich zum vergangenen Jahr sind daher nicht allzu groß – und doch wesentlich: drei große Wellenbänke wurden aufgestellt, sie erlauben ein zurückgelehntes Sitzen. Und am Donnerstag beginnt auch wieder der „Sommer an der Glems“. Vier Wochen lang machen dort Stadt und Vereine tageweise Programm.

Das mehrwöchige Angebot wird im dritten Jahr gemacht. „Wir wollen hier auch kleineren Vereinigungen die Möglichkeit geben, sich zu zeigen“, sagt Verwaltungssprecher Schmukal.

In diesem Jahr ist die Schachabteilung des großen Ditzinger Sportvereins TSF an einem Tag präsent und will Spielmöglichkeiten für Anfänger und Fortgeschrittene, Kinder und Erwachsene bieten. Der Obst- und Gartenbauverein macht eine Hocketse, das Jugendhaus bietet mehrere Graffiti-Workshops an, die Jugendfußballer der TSF sind an einem Tag dort und organisieren Geschicklichkeitsstationen. Dazwischen gibt es Möglichkeiten zu spielen, das Ambiente bei einem Cocktail zu genießen. Oder schlicht am Wasser zu verweilen, das lange verborgen war und doch einst den Wohlstand des Ortes begründete und identitätsstiftend wirkte – etliche Müller hatten sich dort angesiedelt. Heute stehen nach wie vor einige Mühlen. „Ditzingen ist noch ein sehr prominenter Mühlenstandort“, sagte der ehemalige Stadtarchivar Herbert Hoffman einmal.

Neu ist das Bewusstsein der Ditzinger für die Fließgewässer in der Stadt keineswegs – auch wenn man seit 2010, nach einem Starkregen mit Sachschäden in Millionenhöhe, in diesen eher eine Gefahr sah, denn seinen Erholungscharakter. So wurden in der Folge einerseits Gebäude besser vor eindringendem Wasser geschützt und Erdwälle errichtet, um dahinter liegende Gebäude zu schützen, Geländer an Brücken erhöht. Andererseits wurde parallel weiter an der Öffnung der stellenweise verdolten Glems gearbeitet: sie sollte – zugunsten von Mensch und Tier –im Rahmen eines vor 12 Jahren begonnenen Projekts wieder naturnaher werden. Der Verband Region Stuttgart förderte das Vorhaben mit mehreren Hunderttausend Euro.

In diesem Kontext ist der Platz an der Glems nebst dem Bereich hinter dem Schloss das jüngste und größte Projekt. Der Gemeinderat hatte 2022 kontrovers über dessen Ausgestaltung diskutiert. Sollte der Platz dauerhaft autofrei bleiben? Der Gemeinderat hatte nach intensiver Diskussion, in deren Verlauf gar die Fördergelder der Region auf der Kippe standen, zunächst die Öffnung des Platzes für den Autoverkehr beschlossen. Dann kam Corona, die Menschen eroberten sich den Platz auf ihre Weise, ein provisorischer Schutz entlang der Straße musste spielende Kinder vor den Autos schützen. In Kenntnis dieser Erfahrungen, wurde der Platz vergangenes Jahr abermals zum Thema im Gemeinderat. Die Verwaltung schlug die dauerhafte Sperrung für den motorisierten Individualverkehr vor – nach der nochmaligen Überprüfung der Verkehrssituation. So kam es dann auch.

Neue Erkenntnisse könnten beim Betrachten der Realität zu neuen Entscheidungen führen, begründete der Ditzinger Oberbürgermeister Michael Makurath (parteilos) damals das Vorgehen seiner Verwaltung. „Es muss unser Anspruch sein, die Kraft und den Mut zu haben, Entscheidungen zu ändern“. Am Ende stand ein dauerhafter Kompromiss, der in diesem Jahr einen „Sommer an der Glems“ ohne abermalige Gemeinderatsdiskussion ermöglicht. Ob und wie sich der Platz weiterentwickelt ist unklar. Bürger und Vereine, so Rathaussprecher Schmukal, sollen jedenfalls die Möglichkeit bekommen, den Platz weiter zu gestalten.

Die Glems soll erlebbar werden

Die Aktion
Mit verschiedenen Angeboten wollen die Organisatoren Urlaubsstimmung an der Glems schaffen. Temporeich oder entspannt – jeder soll sich angesprochen fühlen in der Zeit von Donnerstag, 27. Juli bis zum 27. August.

Der Ort
Der Platz an der Glems in der Kernstadt Ditzingen liegt in der Ortsmitte, nahe der Marktstraße, zwischen Glems- und Bauernstraße, auf Höhe der Schlossmühle.

Das Programm Die Spielleiter von Spiel-o-Top laden an den Dienstagen 8., 15. und 22. August Kinder und Familien zu verschiedenen Spielangeboten ein, etwa zu Großbrettspielen oder zur Wasserbaustelle. Beginn ist jeweils um 14 Uhr. Donnerstags und freitags mixen die Bluekeepers von 17 bis 21 Uhr frische Cocktails. Das Jugendhaus bietet samstags, 12., 19. und 26. August, jeweils von 14 bis 18 Uhr Graffiti-Workshops für alle Jugendlichen an, die mindestens 12 Jahre alt sind. Eine Anmeldung ist hierfür nicht erforderlich. Der Obst- und Gartenbauverein veranstaltet an diesem Samstag, 29. Juli, von 11.30 Uhr an eine Hocketse. Die Schachabteilung des Sportvereins TSF Ditzingen lädt am Samstag, 5. August, in der Zeit von 11 bis 18 Uhr zum Spiel für Anfänger und Fortgeschrittene ein. Die Jugendfußballer der TSF Ditzingen sind am Sonntag, 27. August, ebenfalls von 11 bis 18 Uhr präsent.